Freiräume: Es wird eng in der Gegenwart

Zürich: Geschichte von #Freiräume’n und #Hausbesetzung’en, mit Essay von @TobiBernet über die gegenwärtige Situation

Die Wochenzeitung – WOZ Nr. 10/2017 vom 09.03.2017:
“Freiräume. Es wird eng in der Gegenwart

Eine Ausstellung hat die Geschichte von Freiräumen in Zürich zusammengetragen. Beim Blick in die Zukunft zeigt sich: Der Raum für zusätzliche Verbesserungen wird knapp. …

Gemessen an den damaligen Ansprüchen sei das Erreichte minim, die Errungenschaften der Achtzigerbewegung heute weitgehend kommerzialisiert. Sind das also die einzigen Alternativen: sich entweder mit den institutionalisierten Errungenschaften zufriedenzugeben oder gleich die totale Niederlage auszurufen?

Natürlich nicht. Ein konkreter Vorschlag, wie AktivistInnen auf die gegenwärtige Situation in Zürich reagieren könnten, steht am Schluss der Publikation in Form eines lesenswerten Essays des Ethnologen Tobias Bernet. Dieser war einst bei der Labitzke-Besetzung in Zürich Altstetten engagiert, bevor er ein ähnliches Projekt in Leipzig mitbegründete [ Wohnungsgesellschaft mbH Central LS W33]. Bernet plädiert dafür, dass Besetzungen heute den Fokus auf das Hauptproblem des städtischen Lebens richten sollen: den Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Das gehe jedoch nur, wenn in der Frage des Eigentums von einer Fundamentalkritik abgerückt werde.

Er spricht damit vor allem die BesetzerInnen des Koch-Areals an. Die Tatsache, dass das Gelände der Stadt gehöre, sei eine grosse Chance. Ein möglichst detaillierter Vorschlag vonseiten der BesetzerInnen, wie das Gelände in genossenschaftliches Eigentum überführt werden könnte, sei erfolgversprechend. Das zeige das Beispiel der ehemaligen Besetzung an der Wasserstrasse in Basel, wo die Mietpreise nach der Gründung einer Genossenschaft sehr tief geblieben seien.

Bernet zeigt durchaus Verständnis für die grundlegende Systemkritik, die der Forderung nach Freiräumen stets innewohnt. Doch angesichts der «Endzeit des postindustriellen Umnutzungsprozesses», in der solche Räume kaum mehr physisch verfügbar seien, kehre sich die Verweigerung in Selbstzerstörung. Wenn er recht hat, wird es zunehmend eng in der Gegenwart. … .”

https://www.woz.ch/1710/freiraeume/es-wird-eng-in-der-gegenwart