PROKLA » Blog Archive » Call for Papers PROKLA 191: Zur (neuen) Wohnungsfrage

Schland: @Ztschr_Prokla, Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft 191 (Juni 2018). Call for Papers: Zur (neuen) #Wohnungsfrage

PROKLA | Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft: “… Denn unter kapitalistischen Verhältnissen erfolgt die Versorgung mit Wohnraum in der Regel vermittelt über Marktmechanismen und eingebunden in – zunehmend globale – Prozesse der Kapitalzirkulation. NutzerInnen einer Wohnung müssen, sei es als MieterInnen oder als KreditnehmerInnen, über ausreichende Zahlungsfähigkeit verfügen, um die profitable Verwertung des in der Wohnimmobilie investierten Kapitals sicherzustellen. Die Verwertungsprozesse im Wohnungssektor stehen daher immer wieder im Widerspruch zu den Erfordernissen einer ausreichenden Reproduktion der Klasse der Lohnabhängigen wie auch der kleinen Selbstständigen. Angesichts dieses gesellschaftlich eingerichteten Widerspruchs haben staatliche Akteure seit Beginn des 20. Jahrhunderts in allen kapitalistischen Ländern jeweils abhängig von den gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen sowie der historisch spezifischen Gesellschaftsformation mit diversen Instrumenten in Marktmechanismen interveniert, um die Bezahlbarkeit des Wohnens sicherzustellen.

Vor allem im Anschluss an die globale Finanzkrise von 2008 lässt sich an vielen Orten weltweit erneut eine Verschärfung der städtischen Wohnungsfrage beobachten. Steigende Mieten und Wohnungspreise führen zu einer Situation, in der es für Haushalte mit geringen und selbst für solche mit mittleren Einkommen immer schwieriger wird, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Ermöglicht wurde eine derartige Zuspitzung der Wohnungsfrage durch die Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse und stagnierender Einkommen bei einer gleichzeitig einsetzenden Neoliberalisierung der Wohnungspolitik ab Mitte der 1980er Jahre. Kennzeichen dieses Wandels in der Wohnungspolitik sind u.a. eine Deregulierung des Mietrechts, die Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit und der Rückzug aus dem sozialen Wohnungsbau sowie die Privatisierung kommunaler Bestände, die Not leidenden Kommunen als vermeintlicher Rettungsanker zur Haushaltskonsolidierung erschien. Seit einigen Jahren führt zudem die Investition in Immobilien als vermeintlich sichere Kapitalanlagen zur Entstehung spezifischer Finanzprodukte (z.B. REITs oder REPE-Fonds), was Spekulationen auslöst und den Gebrauchswert von Wohnungen weiter in den Hintergrund treten lässt.

Mittlerweile treten die Widersprüche eines neoliberalen Regimes der Wohnraumversorgung deutlich hervor und dank zunehmender sozialer Proteste ist ein partielles Umdenken zu diagnostizieren. Sozialpolitische Interventionen in Marktmechanismen erleben in Gestalt von städtebau- und mietrechtlichen Regulierungen oder der Ausweitung der öffentlichen Wohnbauförderung zumindest in Ansätzen eine Renaissance. Auch traditionelle Formen der Selbstorganisation wie Wohnungsbaugenossenschaften haben einen deutlichen Aufschwung erfahren. Umstritten ist jedoch die tatsächliche Durchschlagskraft solcher Neuerungen, da es mehr als fraglich bleibt, ob sie eine dauerhafte Wirkung auf steigende Boden- und Immobilienpreise sowie das Niveau der Mieten entfalten können.

Vor diesem Hintergrund laden wir dazu ein, empirische Beiträge sowie theoretischer Reflexion einzureichen, die sich mit den politökonomischen Gründen für die Wiederkehr der Wohnungsfrage im Kontext von Finanzialisierung, Neoliberalisierung und einer globalen Überakkumulation von Kapital befassen. …

Die Redaktion lädt zur Einsendung von Exposés von 1-2 Seiten bis zum 6. November 2017 ein. Die fertigen Artikel sollen bis zum 1. März 2018 vorliegen und einen Umfang von 45.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen, Fußnoten und Literaturverzeichnis) nicht überschreiten. … .”

http://www.prokla.de/2017/10/03/call-for-papers-prokla-191-zur-neuen-wohnungsfrage/