Zweierlei Solidarität

In Nordamerika und Europa setzen sich Stadtgesellschaften für Rechte von Flüchtlingen und Migranten ein. Was eine »#SolidarityCity« ausmachen soll, darüber herrschen widersprüchliche Ansichten. #FearlessCities #SolidarityCities #SanctuaryCities

Jungle World: “Benjamin Barber, ein kürzlich verstorbener früherer Berater von Bill Clinton, wird häufig mit den Sätzen zitiert: »Das 20. Jahrhundert war das Jahrhundert der Nationalstaaten. Das 21. Jahrhundert wird das Jahrhundert der Städte sein.« Was die Migration angeht, könnte er recht behalten. Denn derzeit wenden sich vor allem Stadtregierungen in Nordamerika und Europa gegen restriktive nationale Migrationspolitik, die Abschottung der Grenzen und das Sterbenlassen von Hilfesuchenden auf den Fluchtrouten. Sie erklären ihre Städte zu »sicheren Häfen«, »solidarischen Städten« oder »Städten der Zuflucht«. Zuletzt hatten die Bürgermeister von Bonn und Düsseldorf und die Bürgermeisterin von Köln Ende Juli die Bundeskanzlerin öffentlich aufgefordert, die »Aufnahme geretteter Menschen« zu sichern. …

Der Städteverbund »Solidarity Cities«, in dem neben Berlin und Wien vor ­allem die großen europäischen Hafenstädte Barcelona, Athen, Neapel und Rotterdam vertreten sind, zielt jedoch vor allem auf eine effizient koordinierte Bewältigung dessen, was im Gründungsdokument »Flüchtlings­krise« genannt wird. Er fordert von der EU-Kommission höhere Mittel für die soziale Infrastruktur jener Städte in Europa, in denen de facto die meisten Geflüchteten ankommen oder bereits leben. Ansonsten hat »Solidarity Cities« vor allem symbolischen Charakter. Bislang hat der Verband hauptsächlich Erklärungen formuliert, eine Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Gruppen findet nur sporadisch statt.

Das könnte sich bald ändern. Im vergangenen Jahr haben Flüchtlingsräte, migrantische Organisationen, Willkommensinitiativen, stadtpolitische NGOs, kirchliche Gruppen und Wissenschaftler aus Berlin, Köln, Frankfurt, Bern und Zürich, aber auch aus zahlreichen kleineren deutschen Städten, das alternative Städtenetzwerk »Solidarity City« gegründet (siehe Seite 5). Das Bündnis setzt sich nicht nur für Abschiebestopps und die direkte Aufnahme von Flüchtlingen in den beteiligten Städten ein, sondern will auch »Verhandlungen mit kommunaler Politik und Verwaltung«.

Vertreten sind bei »Solidarity City« auch Mitglieder von Watch the Med Alarmphone, dem trans­national organisierten Notruftelefon für Menschen in Seenot. Sie haben nun begonnen, die Kampagne weiter zu internationalisieren. Gespräche gibt es seit diesem Frühjahr unter anderem mit den Bürgermeistern von Barcelona, Neapel und Palermo. … .”

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