Eine Konzeptvergabe für kommunale Liegenschaften in Leipzig erst noch entwickeln, die diesen Namen auch verdient!

15. Januar 2017

Stellungnahme an Stadtrat, Medien und Öffentlichkeit

Eine Konzeptvergabe für kommunale Liegenschaften in Leipzig erst noch entwickeln, die diesen Namen auch verdient!

Das Netzwerk „Leipzig – Stadt für alle“ zum Stadtratsantrag „Veräußerungen durch das Liegenschaftsamt nach vermeintlicher Konzeptvergabe stoppen – Ratsbeschluss umsetzen!“ und dem Verwaltungsstandpunkt mit Alternativvorschlag.

Am 8. Dezember 2016 hat die Stadtverwaltung Leipzig ihren Verwaltungsstandpunkt zum gemeinsamen Antrag der Fraktionen DIE LINKE, SPD und Bündnis 90/Die Grünen „Veräußerungen durch das Liegenschaftsamt nach vermeintlicher Konzeptvergabe stoppen – Ratsbeschluss umsetzen!“ veröffentlicht. Auf der Stadtratssitzung am 18. Januar 2017 soll über den Antrag und den Alternativvorschlag der Verwaltung entschieden werden.

Leider zeigt der sogenannte Alternativvorschlag, dass das Liegenschaftsamt ungeachtet aller Kritik genauso weitermachen möchte wie bisher. Ist es Ignoranz oder einfach nur Nichtwissen um die sich abzeichnende Situation auf dem Leipziger Wohnungsmarkt und um erfolgreiche Konzeptvergaben in anderen Städten, was hier das Liegenschaftsamt mit dem Verwaltungsstandpunkt zu diesem Antrag zum Ausdruck bringt?

Wir hatten die Hoffnung, das nach unserer letzten Stellungnahme („Leipzig – Stadt für alle“ zum Modellvorhaben der Vergabe städtischer Grundstücke im „Konzeptverfahren“, 21. August 2016: Das Liegenschaftsamt betreibt Verpackungsschwindel – Konzeptvergabe steht drauf, Veräußerung nach Höchstgebot ist drin) und dem Antrag der drei Fraktionen die Dringlichkeit bzw. Notwendigkeit einer besseren Vergabepraxis von kommunalen Liegenschaften deutlich geworden war. Leider zeigt der Verwaltungsstandpunkt, dass das nicht der Fall ist. Daher möchten wir noch einmal das ganze Ausmaß an Missachtung demokratischer Entscheidungen aufzeigen, das hier vom Liegenschaftsamt dem Stadtrat als Lösungen präsentiert wird.

1. Im Antrag der drei Fraktionen heißt es: “Bei den fünf Veräußerungen handelt es sich um konditionierte Höchstpreisverfahren, die nicht den Anforderungen des Wohnungspolitischen Konzeptes entsprechen, in dem es um eine weitgehende Beteiligungsorientierung, um kostengünstige Wohnungen und selbst organisierte Verantwortungsübernahme geht!”

Auf diese Kritik geht der Verwaltungsstandpunkt überhaupt nicht ein. Es wird lediglich behauptet: „Die Objekte können mithin mit Kriterien veräußert werden, ein reiner Verkauf nach Höchstgebot findet nicht statt.“ Es wird nach wie vor nicht dargelegt, wie die Güte eines Angebotes, das über die Minimalhürde springt, gegenüber dem Preis abgewogen wird. Angesichts dieser Intransparenz ist anzunehmen, dass wieder allein der Preis gilt, sobald in einem Angebot etwas in Richtung „wir erfüllen die Vorgaben des Konzepts“ behauptet wird.

Wir fordern weiterhin die Vergabe zu einem Festpreis – zum Beispiel zum transparent ermittelten Verkehrswert mit Preisnachlässen pro errichteter Sozialwohnung, wie es auch beim Verkauf bundeseigener Grundstücke durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) mittlerweile üblich ist.

2. Auch gegenüber der Idee, städtische Grundstücke nicht mehr zu verkaufen, sondern nur noch im Erbbaurecht abzugeben, ist das Liegenschaftsamt weiterhin nicht aufgeschlossen: „Die Objekte waren zur ‚Konzeptveräußerung‘ ausgeschrieben. Dies schließt weder den Verkauf noch die Vergabe eines Erbbaurechtes aus. Es ist auch ein Gebot auf ein Erbbaurecht eingegangen. Die Mehrheit der Kauf-Gebote verdeutlicht allerdings, dass es aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen kaum Nachfrage nach Erbbaurechten gibt. Durch das niedrige Zinsniveau sind Erbbaurechtsverträge für die Interessenten derzeit unwirtschaftlich.“

Das zeigt, dass das Liegenschaftsamt in erster Linie auf klassische Investoren setzt. Für nicht renditeorientierte Wohnprojekte ist das Erbbaurecht durchaus interessant, weil es den Gesamtpreis senkt und damit auch den notwendigen Eigenanteil der Finanzierung. Weiter herrscht auch in dieser Hinsicht völlige Intransparenz: Es wird nicht dargestellt, wie gebotene Erbbaurechtszinse und Kaufsummen im Auswahlverfahren verglichen bzw. wie gewichtet wurden bzw. werden sollen.

3. Zur knappen Ausschreibungsfrist von sechs Wochen während der Sommerferien behauptet der Verwaltungsstandpunkt, diese sei „grundsätzlich üblich und angemessen, kann jedoch verlängert werden. Auf jeden Fall war der Ausschreibungszeitraum in der Urlaubssaison unglücklich gewählt. Dies wird zukünftig beachtet.”

Tatsächlich ist eine solche Frist (fast) nur von professionellen Immobilienmarktakteuren zu stemmen. Auch hier zeigt sich, wie wenig das Liegenschaftsamt gewillt ist, sich auf neue Ansätze und Akteure einzulassen. Daher kann aus diesem „Modellverfahren“ auch nur gelernt werden, dass es so nicht geht.

Bei den sinnvollen Fristen sei zum Beispiel auf das Anhandgabeverfahren verwiesen, wie es in Hamburg seit längerem für Baugruppen praktiziert wird. Nach der Auswahl einer Interessensgemeinschaft, die Wohnungen als Eigentumswohnungen oder als genossenschaftliches bzw. kollektives Eigentum bauen und selbst nutzen möchte, in einem Auswahlverfahren mit festgelegten und transparenten Kriterien, erfolgt in der Regel eine Anhandgabe für ein Jahr. In diesem Zeitraum soll die Baugemeinschaft für ihr Bauvorhaben eine Baugenehmigung erwirken und die Finanzierung klären

4. Wenn aber jetzt schon klar ist, dass das Vorgehen bei solchen Ausschreibungen künftig ein grundsätzlich anderes sein muss, dann ist keine sinnvolle „Auswertung der Testphase“ möglich. Wenn von einem „Runden Tisch“ die „konkreten Kriterien“ für die Vergaben erarbeitet werden sollen, dann muss dieser von Anfang an mit einbezogen werden und nicht erst nach der „Testphase“ konstituiert werden!

Wie absurd ein solches Vorgehen wäre, zeigen die gewundenen Äußerungen im Verwaltungsstandpunkt zur Berücksichtigung der Erfahrungen mit Konzeptverfahren in anderen Städten: „Aus der Sicht der Verwaltung reicht es gerade nicht aus, dass in der Arbeitsgruppe auf der Grundlage von Erfahrungen anderer deutscher Großstädte beraten wird. Stattdessen ist es erforderlich, auf eigene Erfahrungen zurückgreifen zu können.“ Wenn aber auf die Erfahrungen anderer Städte zurückgegriffen und auf dieser Basis das Verfahren vor dem Start verbessert werden kann, dann sollte dies auf jeden Fall auch getan werden. Was bringt es, die Fehler anderer Städte unbedingt erst selbst machen zu wollen, um danach eventuell daraus lernen zu können?

Wiederum sei lediglich als ein Beispiel der Liegenschaftsfonds der Stadt Frankfurt am Main genannt, bei dem sich selbstorganisierte, gemeinschaftliche Wohninitiativen per Konzeptverfahren an Ausschreibungen beteiligen können. Ende Dezember 2016 wurde bereits die dritte Liegenschaft im Rahmen des Konzeptverfahrens an ein gemeinschaftliches Wohnprojekt vergeben.

Im Verwaltungsstandpunkt wird ausgeführt: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, die Gebote für die fünf Objekte der Testphase für das Verfahren der Konzeptveräußerung der Arbeitsgruppe ‚Erarbeitung von Sozialkriterien‘ vorzustellen. Anschließend sind die Veräußerungsvorlagen dem Grundstücksverkehrsausschuss zur Beschlussfassung vorzulegen.“

Im Klartext heißt das: Die Arbeitsgruppe „Erarbeitung von Sozialkriterien“ wird großzügig noch kurz angehört, bevor der Grundstücksverkehrsausschuss doch wie gehabt nach Höchstpreis (mit Minikriterien) vergibt. Dabei ist bisher nicht bekannt: Wann wird wer von wem gemäß welchen Kriterien in diese Arbeitsgruppe berufen? Welche Handlungsspielräume hat diese Gruppe hinsichtlich der Bewertung von Konzepten? Kann ein sehr gutes Konzept, das unter dem Höchstgebot mit Minimalkonzept liegt, an erste Stelle gesetzt werden? Was ist, wenn die Arbeitsgruppe zum Ergebnis kommt bzw. bei der Einschätzung bleibt, das ganze Verfahren sei ungenügend? Entscheidet dann trotzdem der Grundstücksverkehrsausschuss nach der Vorlage des Liegenschaftsamtes über die fünf bereits aufgelisteten Vergaben?

5. Zu guter Letzt erstaunt es auch nicht, dass das Liegenschaftsamt meint, den gewählten Stadträt_innen erklären zu müssen, dass eine Zustimmung zum Antrag der drei Fraktionen nachteilig für die Stadt Leipzig wäre. Worin dieser Nachteil genau besteht, wird jedoch nicht erklärt. „Eine Aufhebung der Ausschreibung wäre für die Stadt Leipzig zwar ohne rechtliche Folgen, aber aus Sicht der Verwaltung für alle Beteiligten nicht wünschenswert. Ein Abbruch der Ausschreibung würde die Hoffnungen der Kaufinteressenten enttäuschen und das Vertrauen in die Stadt Leipzig beschädigen.“

Ein Abbruch enttäuscht lediglich die Hoffnungen derjenigen Interessent_innen, die davon ausgehen, dass sie selbst die meistbietenden sind. Bei rund 70 Bieter_innen auf fünf Grundstücke muss man zwangsläufig etwa 65 enttäuschen, die sich Hoffnungen gemacht haben. Eine Fortführung des Verfahrens in seiner bisherigen Form würde demgegenüber zu einem massiven Vertrauensverlust in die Stadt unter all jenen führen, die die Ziele von Konzeptvergaben im Speziellen und des erst vor einem Jahr verabschiedeten Wohnungspolitischen Konzepts im Allgemeinen kennen und davon ausgehen, dass Politik und Verwaltung nach diesen handeln.

Das Liegenschaftsamt und das ihm übergeordnete Dezernat Wirtschaft und Arbeit waren bislang entweder nicht willens oder nicht fähig, die Kritik an ihrem „Testlauf“ zu verstehen und entsprechend umzusetzen. Somit stellt sich die Frage, wer die strategischen Entscheidungen für eine andere Wohnungspolitik in Leipzig trifft. Sollten sich der Stadtrat und der Oberbürgermeister mit den Antworten des Liegenschaftsamtes im Verwaltungsstandpunkt zufrieden geben, dann sind sie es nicht. Wir haben jedoch die Hoffnung, dass der Antrag der drei Fraktionen entgegen dem Verwaltungsstandpunkt angenommen wird und damit auch ein deutliches Signal an die neue Amtsleitung gesendet wird, wie Weichen für eine bessere Liegenschaftspolitik und somit für eine Stadt für alle gestellt werden müssen.

Zusammenfassend heißt unsere Empfehlung für die Stadtratssitzung am 18. Januar 2017:

Verwaltungsvorschlag ablehnen und am Antrag der drei Fraktionen festhalten!

Die fünf angelaufenen Pseudo-Konzeptverfahren abbrechen, die Gremien besetzen, die Kriterien und die Bewertungsmatrix festlegen und vor allem offenlegen – danach kann neu ausgeschrieben werden.