Text: Für eine politische Vertretung der Mieter*innen in Leipzig

Für eine politische Vertretung der Mieter*innen in Leipzig

Das Netzwerk „Leipzig – Stadt für alle“ fordert mehr politisches Engagement des Mietervereins Leipzig. Deshalb ruft das Netzwerk Mieter*innen dazu auf, Mitglied des Vereins zu werden, um ihre Interessen in organisierter Form vertreten zu können. Mieter*innen, die bereits Mitglied sind, möchte Stadt für alle zur Teilnahme an der Mitgliedervollversammlung am 21. Oktober 2019 auffordern, um mit ihrem Stimmrecht mehr Engagement zu erreichen.

Leipzig, den 15. Oktober 2019

Der Aufruf wird unterstützt von:

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Mietervereine sind eines der wichtigsten und ältesten Vertretungsgremien für die Interessen von Mieter*innen. Sie bieten nicht nur rechtliche Beratung für ihre Mitglieder an und dienen als Solidargemeinschaft der Mieter*innen. Ein Mieterverein ist die entscheidende politische Interessenvertretung und in wohnungspolitischen Auseinandersetzungen erster Ansprechpartner für Städte und Gemeinden.

Auch der Leipziger Mieterverein (MVL) ist mit über 19.000 Mitgliedern der größte Verein, der in Stadt und Umland für die Belange von Mieter*innen eintritt. Der MVL berät seine Mitglieder in Mietrechtsfragen, informiert sie über aktuelle mietrechtliche Entwicklungen in seiner Zeitschrift und sein Vorstand vertritt die Interessen in der Öffentlichkeit.

Doch im Gegensatz zu manch anderen Mietervereinen in Deutschland entsteht in Leipzig der Eindruck, der hiesige böte vor allem Beratungsdienstleistungen an. Wir vermissen den MVL als wichtige politische Plattform und Vertretung für die Interessen von Mieter*innen. Denn die Entwicklung auf dem Leipziger Wohnungsmarkt und die schleppende Wohnungspolitik der Stadt zeigen, dass die Mieter*innen mehr brauchen als einen Beratungsverein.

…denn „einfach umziehen“ ist nicht mehr.
Das politische Engagement von Mietervereinen in Deutschland ist recht unterschiedlich. Das liegt häufig an der jeweiligen Situation auf den lokalen Wohnungsmärkten. Dort, wo Wohnungsmärkte als angespannt gelten, existieren häufig engagierte Mietervereine.

Sicherlich war es in Leipzig vor ein paar Jahren noch möglich, eine neue Wohnung zu finden, wenn z. B. wegen angekündigter Modernisierungen oder anderem Ärger die Miete in der alten Wohnung nicht mehr gezahlt werden konnte. Dazu wurde auch Mitgliedern des Mietervereins im Rahmen von Beratungsgesprächen geraten. In den letzten Jahren hat sich die Situation auf dem Wohnungsmarkt in Leipzig jedoch zugespitzt.

Mieter*innen, die Ärger mit ihren Vermieter*innen haben, berichten uns, dass sie sich nicht beraten gefühlt haben. In mehreren Fällen kam es vor, dass die vom MVL empfohlene Anwält*innen die Seite von Vermieter*innen vertreten und deshalb das Mandat für Mieter*innen ablehnen mussten. Das zerstört das Vertrauen in die wichtige Institution eines Mietervereins. Das Handeln des Mietervereins beschränkt sich vor allem auf die Prüfung formaljuristischer Korrektheit von Sachverhalten und Vorgängen – als Partner und Unterstützer agiert der MVL jedoch selten.

Um für den Verbleib in der eignen Wohnung zu kämpfen, braucht es meist einen langen Atem und solidarische Unterstützung von Nachbar*innen, Anwält*innen oder anderen Gruppen.

Strukturelle Problemursachen brauchen strukturelle Lösungen.
Mit dem Stress mit dem/der Vermieter*innen sind Mieter*innen zunächst allein. Alleine werden Briefe geöffnet, Beratungstermine wahrgenommen oder sich nach Feierabend mit der Mietenbürokratie herumgeschlagen. Die Einzelberatung der Mitglieder, wie sie zurzeit im Mieterverein stattfindet, begünstigt dieses strukturelle Problem. Die Erfahrung mit selbst- und ehrenamtlich organisierten Miettreffs oder Mietgemeinschaften, in denen Nachbar*innen sich gegenseitig unterstützen, hat gezeigt, dass es sich lohnt, sich zusammenzuschließen. Nicht nur, dass die Kosten für Beratungen bei Anwält*innen geteilt werden können, auch das Bewusstsein dafür, nicht selbst am Mietproblem schuld zu sein, wächst.

Der Wohnungsmarkt in Leipzig ist angespannt und trifft viele. Deshalb muss es eine starke Positionierung für diese vielen geben. Doch diese haben wir in den letzten Jahren vermisst. In den Expert*innenkreisen der Stadt Leipzig und den Workshops zum Wohnungspolitischen Konzept 2015 wie auch in anderen Gremien fehlte uns die klare öffentliche Positionierung des Mietervereins für Mieter*innen.

Auch wenn der MVL zu Entscheidungen über wichtige politische Instrumente hinzugezogen wird – wie beispielsweise der Diskussion um den Mietspiegel –, erfährt die Öffentlichkeit davon meist wenig. Die Seite der Vermieter*innen und Eigentümer*innen ist hingegen gut organisiert. Die private Wohnungswirtschaft samt einiger Genossenschaften geben unter der Selbstbezeichnung „Leipziger Immobilienakteure“ gemeinsame Stellungnahmen heraus und machen gemeinsame Lobbyarbeit gegen wohnungspolitische Instrumente, die den Wohnungsmarkt im Sinne der Mieter*innen regulieren könnten.

Vor dem Hintergrund der Vernetzung der Leipziger Immobilienbranche ist es wichtig, dass auch die Mieter*innen in gemeinsamen Positionen öffentlich vertreten werden.
Es gibt viele Gruppen, Initiativen und selbstorganisierte Mieter*innen in Leipzig, die sich für bezahlbares Wohnen und gegen Verdrängung einsetzen. Die Basis für eine gemeinsame Interessenvertretung ist vorhanden. Aber kaum eine selbst organisierte und ehrenamtliche Mietsprechstunde kann mit dem Wissen und der Erfahrung der beratenden Anwält*innen des MVL mithalten. Der MVL führt vor allem die dringend notwendige Beratung von Mieter*innen durch. Wir wollen diese Strukturen des MVL zugänglicher machen und fordern den Mieterverein zu mehr politischem Engagement auf.

Wir setzen uns für ein Update des Leipziger Mietervereins ein.
Wir brauchen den Mieterverein Leipzig, um auf den politischen Einfluss von privaten Immobilienfirmen reagieren zu können! Wir wollen deshalb, dass der Mieterverein nicht nur ein Beratungsverein für seine Mitglieder ist, sondern eine politische Plattform von Mieter*innen für Mieter*innen wird.

Deshalb fordern wir:

1. Mieterverein in den Stadtteil hinein! – Kostenlose Mietberatung in Milieuschutzgebieten

Im Rahmen der sozialen Erhaltungssatzungen nach § 172 BauGB können auch kostenlose Mietberatungen in den jeweiligen Gebieten angeboten werden. Wir wünschen uns vom MVL, dass er sich hier als Träger anbietet. Das Know-How und die Expertise der Jurist*innen und Expert*innen brauchen wir in Leipzig, um die Mieter*innen zu unterstützten und auf die Bestandspolitik Einfluss zu nehmen. Außerdem können auf den jeweiligen Stadtteil abgestimmte Informationsveranstaltungen (zu Modernisierungsankündigung, Verkauf der Wohnung etc.) dabei helfen, dass Mieter*innen gar nicht erst Probleme mit den Vermieter*innen bekommen. Erhaltungssatzungen sind eine Chance für mehr informierte Mieter*innen in den Stadtteilen.

2. Ein*e betroffene*r Mieter*in kommt selten allein. Neue Mitglieds- und Beratungsmodelle

Damit möglichst viele Mieter*innen ihre Rechte kennen und wahrnehmen, braucht es niedrigschwellige Mitgliedsbedingungen. Darunter Kennenlerntreffen (wie z. B. ich & meine Nachbar*innen) sowie Erstberatungen auch für betroffene Mieter*innen, die kein Mitglied sind.

Auch ein an das Einkommen gekoppelte Stufenmodell für den Mitgliedsbeitrag kann den Beitritt erleichtern.

Des Weiteren fordern wir die Unterstützung von Sammelklagen bzw. Musterfeststellungsklagen z. B. gegen börsennotierte Wohnungsmarktakteure.

Mit der Übernahme einer Vielzahl an Wohneinheiten in der Stadt Leipzig durch börsennotierte Wohnungsunternehmen wie Vonovia oder Deutsche Wohnen müssen neue Formen der Unterstützung gefunden werden. Mieter*innen sind konfrontiert mit ähnlichen Problemen und die Rolle des Mietervereins ist es hier, die Problemlagen nicht isoliert zu betrachten. Hier braucht es einen Mieterverein der sich mit der Thematik Musterfeststellungsklage beschäftigt und Mieter*innen kollektiv berät.

3. Für die Demokratisierung des Mietervereins Leipzig und mehr Öffentlichkeitsarbeit für Mieter*innen in Leipzig

Mehr aktive Presse- und Öffentlichkeitsarbeit – nicht nur in der Mitgliederzeitschrift –, Ausbau des Onlineauftritts und regelmäßige Stellungnahmen zu mietenpolitischen Änderungen können dabei helfen, dass die Mieter*innen in Leipzig die wohnungspolitische Entwicklung besser einschätzen können. Würde die Arbeit des MVL öffentlicher, würde der Verein auch als politische Vertretung wahrgenommen.

Wenn wir uns Beispiele wie den Mieterverein Dortmund, den Berliner Mieterverein oder den MieterInnenverein Witten und Umg. e.V. ansehen, wissen wir, dass ein anderer Mieterverein möglich ist.

Auf der Mitgliederversammlung des MVL möchten wir unsere Forderungen vorstellen. Deshalb: Alle rein in den Mieterverein!