Kritik am Verfahren der Erarbeitung des Wohnraumversorgungs- und Wohnungspolitischen Konzepts der Stadt Leipzig 2015

Endlich beginnt die Überarbeitung des „Wohnungspolitischen Konzepts“ der Stadt Leipzig.
Das ist auch eine Reaktion auf die deutlich wahrnehmbaren Veränderungen in der Stadt bzw. auf dem Leipziger Wohnungsmarkt. Deshalb begrüßt das Bündnis „Stadt für alle“ grundsätzlich die Bestrebungen, die Wohnraumversorgung in der Stadt neu zu justieren. Die Details des Verfahrens, wie sie jetzt bekannt werden, lassen jedoch befürchten, dass die Inhalte, die hier erarbeitet werden sollen, nur wenig Gutes und Neues bringen.

Zum Verfahren

Das Verfahren, in dem das „Wohnungspolitische Konzept“ erarbeitet wird, scheint auf den ersten Blick die Forderung nach BürgerInnenbeteiligung aufgenommen zu haben. Der Zeitplan sieht auf der einen Seite einen geschlossenen „Akteurs-und Expertenkreis“ vor, der in insgesamt 4 Workshops die Sicht etablierter Akteure am Wohnungsmarkt aufnehmen soll. Auf der anderen Seite steht die öffentliche Diskussion, die die Erarbeitung des Konzepts in Form von Abendveranstaltungen (teils unter dem Titel „Leipzig weiter denken“) begleiten soll, bis dann im November der bis dato erarbeitete Entwurf öffentlich diskutiert werden kann. Anfang 2015 soll das Konzept dann im Stadtrat verabschiedet werden.

Der Blick aufs Detail des Zeitplans verrät aber eine bestenfalls gut gemeinte, aber schlecht umgesetzte BürgerInnenbeteiligung:

Kritik am Verfahren

So ist die öffentliche „Auftaktveranstaltung“ im Juni keineswegs die erste Veranstaltung der Reihe. Ihr geht ein Workshop des nichtöffentlichen „Akteurs-und Expertenkreises“ am 14. Mai voraus.
Auch später ist den öffentlichen Veranstaltungen stets ein Workshop im geschlossenen Rahmen vorgelagert. Nun ist nichts gegen die Einbeziehung von ExpertInnen zu sagen, jedoch ein Blick auf die TeilnehmerInnenliste lässt erahnen, wohin die Reise geht:

Neben VertreterInnen der Stadtratsfraktionen, der Verwaltung und der Sächsischen Aufbaubank sind hier vor allem die eingeladenen „Akteure“ interessant:

7 VertreterInnen von LWB und Wohnungsbau-Genossenschaften; 9 VertreterInnen privater Immobilienunternehmen; 2 Makler; 4 VertreterInnen von „Baugruppen, Bauprojekten und Kleineigentümern“. Hinzu kommen 4 eingeladene Verbände: zwei davon sind Interessensvereine von HauseigentümerInnen, dazu kommt die Verbraucherzentrale und der Mieterverein.

So bunt dieses Feld auch wirkt, letztlich stehen sich damit im Feld der Akteure 18 VermietervertreterInnen (16 EigentümerInnen + 2 Verbände), 4 das Bild etwas auflockernde KleineigentümerInnen aber nur 2 VertreterInnen der breiten Mehrheit von MieterInnen und VerbraucherInnen. (Wir vermuten, dass die zwei vertretenen Makler keine kritischen Anmerkungen zum Konzept von Wohnraum als Ware haben werden.)

Dass die VermieterInnen trotz unterschiedlicher Rechts-und Organisationsformen (LWB, Genossenschaften und private) erstaunliche Schnittmengen haben, zeigt ihr unlängst veröffentlichtes „Positionspapier“. Hier positionierten sich die Genossenschaften gemeinsam mit privaten Unternehmen wie der KSW (die sich aktuell mit ihrer rigiden Entmietungspolitik in den Elsterwerken in Schleußig (Kreuzer 03/2014) unrühmlich hervortun) unter anderem gegen eine Mietpreisbremse.

Auf die in diesem Papier veröffentlichten Argumente geht das Bündnis „Stadt für alle“ separat ein.

Wir befürchten aber bereits jetzt, dass die Auswahl der „Akteure“ im Ergebnis
bewirkt, dass die großen Player am Markt ihre Forderungen (städtische Förderung für möglichst viel preisungebundenen Neubau) ungehindert ins Wohnungspolitische Konzept der Stadt Leipzig schreiben können. Dabei ist die Auswahl der Akteure möglicherweise gar kein böser Wille: die Stadt wird jene Akteure angeschrieben haben, die schon aktiv sind, und den Markt momentan bestimmen.
Das aber ist fatal.

Solange Wohnen nach Marktlogiken organisiert ist, liegt es nahe, dass in ihm vereinzelte MieterInnen Immobilienunternehmen gegenüber stehen. Wer also nur auf etablierte Immobilienunternehmen als Akteure zurückgreift, muss sich nicht wundern, wenn das Ergebnis der Befragung deren Interessen nutzt – und das neue Wohnungspolitische Konzept die bereits existierende Probleme nur verlängert.
Hier wäre die Stadt gefragt, Wege zu finden (etwa über Verfahren wie „Planungszellen“) gerade die bislang kaum sichtbaren Erfahrungen unorganisierter MieterInnen einfließen zu lassen.

Auch von Verdrängung bedrohte Hausgemeinschaften können sicher als „Akteure“ wichtige Erfahrungen in das Konzept einbringen. Gleiches gilt für sozial engagierte gesellschaftliche Organisationen, etwa Sozialarbeiter oder Stadtteilvereine – kurzum Akteure, die ein Gespür für die Wohn-Bedürfnisse der Mehrheit der Leipziger Bevölkerung haben.

Wir befürchten, dass es sich bei dem geplanten öffentlichen Forum am 2. Juni, lediglich um eine Informationsveranstaltung des Gremiums handelt, die nur der Absicherung der bereits besprochenen Inhalte dient und letztlich als Stichpunktgeber herhält. Wir zweifeln die Ernsthaftigkeit der öffentlichen Diskussion an. Diese Einschätzung speist sich aus Erfahrungen mit Formen der BürgerInnenbeteiligung in der Vergangenheit, wie etwa dem Forum zur Stadtteilentwicklung des Areals um den Bayerischen Bahnhofs.

Eine neue Wohnungspolitik lässt sich nicht allein mit den etablierten Akteuren gestalten!

Wenn nur die bisher am Tisch sitzenden Akteure am Wohnungspolitischen Konzept schreiben, schaffen die bereits mächtigen Akteure sich eine weitere Legitimationsgrundlage aus der öffentlichen Hand und können damit Ziele verfolgen, die eventuell auch ohne das Wohnungspolitische Konzept durchsetzbar
ist.

Es ist wichtig, die Marktakteure an soziale Ziele zu binden und nicht nur Optionen oder Handlungsspektren zu eröffnen. Die Zielformulierung aus dem Wohnungspolitischen Konzept muss mit konkreten Umsetzungen einhergehen und darf nicht nur symbolische Politik bleiben.

Wenn das „Wohnraumversorgungs-und Wohnungspolitische Konzept“ ein wegweisendes Dokument für die Wohnraumversorgung der Leipziger Bevölkerung sein will, muss diese am Prozess beteiligt und involviert werden.

Wir fordern ein Verfahren zur Erarbeitung des Wohnungspolitischen Konzepts, das diese Beteiligung für relevant hält und ermöglicht. Circa 80% der Leipziger Bevölkerung wohnen zur Miete. Dieses Verhältnis muss sich zumindest in der Besetzung des Akteurskreises niederschlagen!

Inhaltlich fordert das Bündnis „Stadt für alle“ ein Wohnungspolitisches Konzept als Element einer städtischen Politik, die bezahlbares und selbstbestimmtes Wohnen als Recht für alle garantiert.
Details folgen.

Stadt für alle – Leipzig

Mai 2014

Das Leipziger Netzwerk „Stadt für alle“ ging aus Diskussionen zu Stadtentwicklung, Aufwertung und Verdrängung hervor, die Ende 2011 und Anfang 2012 in Leipzig stattfanden. In Connewitz und Plagwitz hatten sich zunächst unabhängig voneinander Gruppen gebildet, das Netzwerk gründete sich im Frühjahr 2012 und im Verlauf des Jahres 2013 gingen die unterschiedlichen Gruppen im gemeinsamen neuen Netzwerk Stadt für alle Leipzig auf.

Kontakt:

Info: www.leipzig-stadtfueralle.org

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