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Auftaktdemo #unteilbar 6. Juli 2019

Redebeitrag bei der #Unteilbar-Demo am 6. Juli 2019 in Leipzig

Die Schlagworte „Stadt für alle“ oder „Recht auf Stadt“ stehen dafür, dass das Wohnen und Leben in Städten allen zugänglich sein sollte. Unabhängig vom Einkommen, von Religion, Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht oder sexueller Orientierung.

Deswegen hat die Wohnungsfrage, die sich in den großen Städten, auch in Leipzig, immer weiter verschärft, viel mit den Themen von #unteilbar zu tun: Ein Dach über dem Kopf, das sicher und bezahlbar ist, brauchen wir alle. Und dass es gerade in Städten den unterschiedlichsten Menschen möglich ist, Tür an Tür zu wohnen, ist eine wichtige Voraussetzung für eine offene und freie Gesellschaft.

Hier herrscht nicht die ausschließende „Reinheit“ einer „Volksgemeinschaft“, sondern Vielfalt – und im besten Falle Solidarität, die gerade auch aus unseren Unterschieden erwächst.

In den Protesten von Mieterinnen und Mietern zeigt sich das immer wieder. Wenn ein Haus an ein Unternehmen verkauft wird, das vor allem Profitmaximierung im Sinn hat, dann ist das meist für alle, die dort wohnen, ein Problem – egal ob sie alt oder jung sind, ob sie einen deutschen Pass haben oder nicht und so weiter.

Am Wohnungsproblem zeigt sich auch, wie kapitalistische Profitlogik und rechter Autoritarismus Hand in Hand gehen. Es gibt kaum einen platteren Mechanismus der Ungleichheit als das Privateigentum an Grund und Boden. Es ist kein Zufall, dass Donald Trump seine Karriere auf zwielichtigen Immobiliengeschäften aufgebaut hat und dass Großspender der AfD, die diese gerne geheim gehalten hätte, ebenfalls aus der Vermietungsbranche kommen.

Doch zum Konzept Wohnraum als Ware gibt es Alternativen, die in den letzten Jahren wieder mehr Zuspruch finden. Kollektive, nichtprofitorientierte Eigentumsformen wie Genossenschaften bieten langfristig sicheres und preisgünstiges Wohnen, weil sie Häuser der Spekulation entziehen (und so die Preisspirale durchbrechen). Auch kommunaler Wohnungsbau kann dazu beitragen.

Diese Arten der Wohnungsversorgung können Teil von Modellen lokaler Selbstverwaltung sein, durch die städtische Gesellschaften eine andere Richtung einschlagen können als die der Spaltung, der Ausgrenzung und der angeborenen Vorrechte der einen gegenüber der anderen.

Unter Stichworten wie Urban Citizenship, Solidarity Cities oder Munizipalismus wird weltweit in Städten daran gearbeitet, eine neue Art von progressiver, solidarischer, inklusiver Politik zu machen. Das zeigt auch: Die Ordnung der Nationalstaaten, der Grenzen, der teilweise mörderischen Einschränkung der Bewegungsfreiheit, muss nicht das Ende der Geschichte sein.

Mietenwahnsinn-Demo in Leipzig 2019 (Stadtbiblitothek)

Redebeitrag bei der #Mietenwahnsinn-Demo am 6. April 2019

Vor über sieben Jahren haben wir das Netzwerk „Leipzig – Stadt für alle“ gegründet. Unser Ziel war damals, dass städtisches Eigentum nicht weiter privatisiert wird und die Stadt der Mietenentwicklung durch eine aktive Wohnungs- und Bodenpolitik entgegengewirkt.

Als dann aber das Wohnen immer teurer wurde, konnten wir aus der Stadt vernehmen, dass die Mieter_innen sich einfach an steigende Mieten gewöhnen müssten. Gentrifizierung sei in einer wachsenden Stadt ganz normal. Es ist also nicht verwunderlich, dass die Stadt Leipzig es verschlafen hat, große Flächen selbst zu entwickeln. Die Freude über das Interesse privater Investoren schien zu groß, als die Chance für eine andere, soziale Bodenpolitik wahrzunehmen.

Und heute? Sich beklagen, dass große Bauflächen, wie der Bayerische oder der Eutritzscher Bahnhof an private Unternehmen wie die Leipziger Stadtbau AG verkauft wurden und diese die Gebiete jetzt entwickeln? Und sich beschweren, dass die CG-Gruppe, einer der größten Projektentwickler Deutschlands, jetzt das gleiche macht wie in Berlin, Hamburg und sonst wo? Nämlich entwickeln, dann weiterverkaufen und dickes Geld verdienen. Der Leipziger Wohnungsmarkt funktioniert nach den gleichen Regeln wie anderswo. Worauf wartet die Politik denn nur, bis sie endlich in die Stadtentwicklung eingreifen will?

Dass Leipzig ein Wohnungsproblem hat, ist auch in der Presse und in der Breite der Stadtgesellschaft angekommen. Uns wird aber der Mythos vorgesetzt, der Neubau von Wohnungen sei das Allheilmittel, um den Mietwohnungsmarkt zu entlasten.

Seit über sieben Jahren versuchen wir, von “Leipzig – Stadt für alle” mit solchen Mythen aufzuräumen – also los:

Es stimmt einfach nicht, dass nur das Wohnungsangebot ausgeweitet werden muss, um die Nachfrage zu entlasten. Selbst teurer Neubau wie am Bayerischen Bahnhof, so wird behauptet, schaffe durch Umzugsketten freie Wohnungen im preiswerten Segment. Aber auch die gut verdienenden Mieter_innen wollen günstig wohnen und konkurrieren mit allen anderen um die wenigen preiswerten Wohnungen. Und dort, wo die Nachfrage schon sehr hoch ist, sind oft auch die Mieten hoch. Hier teuren Neubau zu schaffen, löst nicht das Problem, sondern führt sogar dazu, dass in den angrenzenden Stadtteilen die Miete steigt. Wir brauchen nicht nur mehr Wohnungen, sondern (– ja, mehr – aber vor allem) mehr bezahlbare Wohnungen!

Aber solange es attraktiv bleibt, mit Wohnungen im Luxussegment hohe Rendite zu machen, wird kein preiswerter Wohnraum geschaffen.

Um das zu ändern, gibt es politische und stadtplanerische Mittel, die aber spät und zu zögerlich zum Einsatz kommen. Soziale Erhaltungssatzungen können die bestehenden niedrigen Mieten schützen. Mit Bebauungsplänen müssen in den neuen Quartieren preiswerte Wohnungen geschaffen werden. Denn Politik und Verwaltung können sehr wohl – anders als ein weiterer Mythos behauptet – Einfluss auf große private Investitionsprojekte nehmen. Im Baurecht gibt es weitere Möglichkeiten, genau auf die Situation in Leipzig zu reagieren.

Trotz der verpassten Chancen der Stadt, Gebiete selbst zu erwerben, kann sie regulierend auf die Bebauung einwirken. Es ist nicht alles zu spät. Kommunalpolitik und Verwaltung müssen aber auch handeln wollen – oder sind sie zu behäbig zum Planen?

Wir wollen uns nicht mit dem Verweis auf angebliche Sachzwänge abfrühstücken lassen. Es wird gesagt, die Stadt habe kein Geld, um utopische Wohnungspolitik zu machen. Ein Grund mehr, das Wohnungsproblem in den Griff zu bekommen! Denn wenn die Miete steigt, steigen auch die staatlichen Zuschüsse für Haushalte mit wenig Geld. Bund und Kommune müssen diese zusätzlichen Kosten dann übernehmen. Die einzigen, die davon profitieren, sind die Vermieterinnen und Vermieter.

Wie es anders geht?

In Leipzig gründen sich Genossenschaften und zeigen, wie ohne Renditeerwartungen saniert oder neu gebaut wird. In Berlin ist eine breite Bewegung für die Enteignung großer profitgetriebener Wohnungsgesellschaften entstanden. Vorschläge für eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit und die Stärkung öffentlichen Wohneigentums liegen längst auf dem Tisch.

Denn entgegen der Behauptung, wir würden uns der Herausforderung einer nachhaltigen Stadtentwicklung nicht stellen, üben wir strukturelle Kritik und schlagen Lösungen vor. Wir wollen uns nämlich gar nicht an hohe Mieten gewöhnen, sondern von einem anderen Wirtschaften erzählen.

Es geht nicht um Mitsprache bei vorgestanzten Beteiligungsverfahren, sondern um eine selbstbestimmte gesellschaftliche Bewegung für eine Stadt für alle. Die Mieter_innen selbst sind es, die Alternativen zum bisherigen Markt vorleben und aufzeigen.

Es geht darum, sich Orte dieser Stadt wieder anzueignen, die das Leben in der wachsenden Stadt lebenswert machen. Mieten und Wohnen sind zentrale Aspekte dieser politischen Aushandlung.

Bleiben wir also Teil dieser Aushandlung, bleiben wir Teil einer Bewegung von Mieter_innen für Mieter_innen – dann wird das schon mit dem guten Leben.

(Dankeschön)


Der Redebeitrag wurde anlässlich der #Mietenwahnsinn-Demo 2019 gehalten. In Leipzig waren dem Aufruf von Leipzig für alle: Aktionsbündnis Wohnen 3.000 bis 5.000 Menschen gefolgt. In fast 20 deutschen Städten demonstrierten mindestens 55.000 Menschen gegen hohe Mieten, Verdrängung und Mietenwahnsinn. Auch europaweit gingen in 22 weiteren Städten Menschen auf die Straße. Bereits im Vorfeld der Demonstrationen gab es in diesen und weiteren Städten Aktionen.

Redebeitrag bei der “Parade der Unsichtbaren” gegen das #StadtFestSpiel

unsichtbarAm 30. Mai 2015 demonstrierten mehr als 1000 Menschen in Leipzig für das Recht auf Stadt. Anlass des Aufrufs zur Parade der Unsichtbaren  ist die Selbstbeweihräucherung der Stadt Leipzig, die sich mit großem Spektakel marktfähig, sauber und erfolgreich präsentieren will. Die Unsichtbaren – die keine Stimme haben, die nicht wahrgenommen werden, aber auch: die sich an dieser Stadtgesellschaft nicht beteiligen wollen – bleiben ausgeschlossen im Denken und Handeln. Gemeinsam setzten wir der geplanten Sterndemo mit fünf Zügen (und Beteiligung von wenigen Dutzend Bürger_innen) unseren deutlichen Protest entgegen.

Den Unkenrufen der Yellow Press zum Trotz war die Demo laut, aufmüpfig, fordernd – und friedlich. Unseren Redebeitrag dokumentieren wir hier:

Seit 2011 wächst die Bevölkerungszahl Leipzigs mit über 10.000 neuen Einwohnerinnen pro Jahr. Wir sagen klar und deutlich an alle Neu-Leipziger_innen: Herzlich Willkommen! Welcome! Achlan wa sachlan! Bienvenidos! Privet… Redebeitrag bei der “Parade der Unsichtbaren” gegen das #StadtFestSpiel weiterlesen