Neue Prognose über Flüchtlingszahlen: Zusätzliche Kapazitäten für Unterbringung und Betreuung…

Chemnitz: Zwei weitere Sammelunterkünfte für Asylbewerber_innen – Ziel bleibt, 2/3 der Menschen in dezentralen Unterkünften unterzubringen – sehr transparente Entscheidungen der Stadtverwaltung

PRESSEMITTEILUNG Nr. 444 der Stadt Chemnitz vom 24.08.2015
Neue Prognose über Flüchtlingszahlen: Zusätzliche Kapazitäten für Unterbringung und Betreuung notwendig

Die in der vergangenen Woche vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge deutlich nach oben korrigierte Prognose, wonach in diesem Jahr anstelle von 450.000 mit bis zu 800.000 Flüchtlingen in Deutschland zu rechnen ist, hat auch auf die Stadt Chemnitz Auswirkungen. Zusätzliche Kapazitäten für Unterbringung und Betreuung sind deshalb notwendig.

Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig: „Die Stadt hat in den vergangenen 150 Jahren schon einige Bevölkerungswanderungen erlebt und gemeistert. Diese Zuwanderung von Menschen vieler Nationalitäten ist nicht einfach zu organisieren. Aber Chemnitz wird es schaffen, damit umzugehen. Ich bitte die Bürgerinnen und Bürger um Unterstützung und Vertrauen.“

Bis zum 14. August 2015 wurden in diesem Jahr der Stadt Chemnitz bisher 730 Asylbewerber zugewiesen. Zum gleichen Zeitpunkt waren durch die Stadt Chemnitz insgesamt 1.495 Personen, davon 310 Personen (20,7 %) in Gemeinschaftsunterkünften und 1.185 Personen (79,3 %) in Wohnungen, untergebracht. Zudem reisten etwa 250 unbegleitete minderjährige Ausländer (umA) nach Sachsen ein.

Sollte die Prognose in dieser Form eintreten, wären durch die Stadt Chemnitz statt der bislang geplanten 1.400 nunmehr etwa 2.450 Asylbewerber im Jahr 2015 unterzubringen. Dies bedeutet, dass in den Monaten September bis Dezember 2015 jeweils ca. 390 Personen aufzunehmen sind; dies entspricht etwa 100 Personen pro Woche – wenn die Verteilung vom Land so gleichmäßig organisiert wird. Dadurch müssten ca. 100 Wohnungen pro Monat angemietet und ausgestattet werden. Dafür werden Wohnungsangebote Privater verstärkt genutzt, ein entsprechendes Formular für Angebote findet sich auf der städtischen Internetseite.

Die Stadt Chemnitz erfasst zudem derzeit, welche zusätzlichen Anforderungen dies beispielsweise an die Unterbringungsmöglichkeiten, die Strukturen für soziale Betreuung, die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge, die Erweiterung von Oberschulkapazitäten und die entsprechende Ausstattung stellt.

Nach Ausschreibung weiterer zentraler Unterkünfte stehen Standorte fest

Der Stadtrat hat im März das Konzept zur Unterbringung und Betreuung von Asylbewerbern in Chemnitz beschlossen. Das Konzept ging auf der Grundlage der damaligen Prognosen noch davon aus, dass in Chemnitz in diesem Jahr mindestens 1.400 Flüchtlinge neu aufzunehmen sind.

Um den mit dieser Entwicklung einhergehenden Herausforderungen gerecht werden zu können, wurden strategische, organisatorische und personelle Neuausrichtungen erforderlich. Ziel der Stadt Chemnitz ist es weiterhin, 1/3 der Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften und 2/3 im Rahmen der dezentralen Unterbringung sicherzustellen.

Zur Deckung des Bedarfes an Unterbringungsplätzen in diesem Jahr wurde neben der Neuanmietung von Wohnungen auch die Bereitstellung von zwei weiteren Gemeinschaftsunterkünften mit einer Kapazität von je maximal 150 Plätzen vorbereitet. Ein entsprechendes Ausschreibungsverfahren zum Betrieb der Einrichtungen ist inzwischen erfolgt.

Die Objekte werden von der WuV Wohn- und Verwaltungsgesellschaft Chemnitz GmbH saniert und betrieben. Die Einrichtungen befinden sich in der Straßburger Straße 1-3 und der Annaberger Straße 231 und haben jeweils eine Kapazität von 150 Plätzen. Die Kosten für beide Unterkünfte liegen bei rund 2,75 Mio. Euro pro Jahr.

Im September wird es zur frühzeitigen Information und Einbeziehung der Anwohner sowie der im jeweiligen Stadtteil agierenden Vereine, Verbände und Initiativen jeweils eine Anwohnerversammlung geben, in der die Stadt Chemnitz über die Unterbringung von Asylbewerbern in der entsprechenden Einrichtung informiert. Genaue Termine und Orte werden den jeweiligen Anwohnern durch Briefkastenflyer bzw. Aushänge in den umliegenden Häusern rechtzeitig bekanntgegeben.

Vor Inbetriebnahme der Einrichtungen am 1. Januar 2016 wird es zudem jeweils einen Tag der offenen Tür geben, in der sich Interessierte einen Eindruck von der Unterbringungssituation der Asylbewerber verschaffen können. Auch diese Termine werden rechtzeitig bekannt gegeben.

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge unterzubringen

Neben der Schaffung neuer Unterbringungsplätze in Gemeinschaftseinrichtungen steht die Stadt Chemnitz zusätzlich vor der Herausforderung, in den kommenden Monaten eine Einrichtung zur Inobhutnahme minderjähriger unbegleiteter Ausländer, ein sogenanntes Clearinghaus, zu schaffen, das zum 1.Januar 2016 betriebsbereit zur Verfügung stehen muss.

Dies wird notwendig, da die Bundesregierung den Erlass eines Gesetzes zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Jugendlicher plant, das am 1. Januar 2016 in Kraft treten soll.

Eine entsprechende Beschlussvorlage (BA-225/2015) zur Schaffung des Clearinghauses wurde zwischenzeitlich durch die Stadt Chemnitz erarbeitet und wird am 01. September 2015 im Jugendhilfeausschuss behandelt. Hierfür ist ein Interessenbekundungsverfahren unter freien Trägern der Jugendhilfe geplant.

Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig: „Fest steht aber auch, dass die Herausforderungen der nächsten Monate nicht ohne das Engagement der Bürger, das sich bereits zahlreich, z. B. in verschiedenen Vereinen oder als Paten, für Flüchtlinge in der Stadt Chemnitz einsetzen, gelingen. Diesem Engagement gebührt ein großes Dankeschön. Weitere Unterstützung ist jederzeit willkommen.“

Kosten nur teilweise durch Pauschale des Freistaates gedeckt

Durch den Freistaat Sachsen wurde den Kommunen und Landkreisen für die Aufwendungen für Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen bisher eine pauschale Erstattung in Höhe von 1.500 Euro je untergebrachte Person und Quartal gewährt, seit 2015 1.900 Euro. Die Pauschale steht für die Aufwendungen für Unterbringung, die Leistungsgewährung und die Krankenhilfe zur Verfügung. Die tatsächlichen Aufwendungen für Unterbringung, Leistungsgewährung und soziale Betreuung werden durch die Pauschale jedoch nicht gedeckt.

Aktuell werden durch die einzelnen Bereiche der Stadtverwaltung alle im Zusammenhang mit Asyl stehenden Aufwendungen, Erträge und Investitionen zum Stand 30.Juni 2015 sowie dem voraussichtlichen Ergebnis zum Jahresende erfasst. Nach ersten Hochrechnungen wird dabei von einem Defizit von etwa 7,5 Mio. Euro ausgegangen – allerdings liegen hier die Flüchtlingszahlen vor der aktualisierten Prognose zugrunde. Dieses Defizit kann nach aktuellem Stand durch Zuweisungen bzw. neu aufgelegte Förderprogramme teilweise abgefedert werden. Beispielsweise durch die vom Freistaat in der vergangenen Woche angekündigten 30 Mio. Euro für die Landkreise und Kreisfreien Städte, die jeweils in 2015 und 2016 ausgereicht werden sollen.

Dies gilt es in den kommenden Tagen in die aktuelle Ermittlung einzubeziehen, um dann eine vollumfängliche Aussage zur Relation zwischen den Kosten und den Kostenerstattungen des Freistaates treffen und eine tatsächliche Kostentransparenz herstellen zu können.

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