Frankfurter Rundschau: Die #Gentrifizierung skritik der jungen urbanen Mittelschicht
Lesenswerter Text in der Frankfurter Rundschau vom 31. August 2015: „Teile der jungen urbanen Mittelschicht haben stark zur Gentrifizierung der Städte beigetragen. Jetzt geraten sie selbst unter Druck.
In den prosperierenden Großstädten der Republik fordern Mieterbewegungen und Stadtteilinitiativen bezahlbaren Wohnraum und machen lautstark mobil gegen Gentrifizierung und die fortschreitende sozialräumliche Spaltung. Wenn der Protest gegen steigende Mieten und Immobilienpreise vielerorts binnen kurzer Zeit die politische Diskurshoheit für sich beanspruchen konnte, dann steckt dahinter jedoch mehr als nur der Unmut der Armen und Geringverdiener über den wachsenden Verdrängungsdruck.
Die städtischen Protestbewegungen werden immer häufiger von milieu- und schichtübergreifenden Bündnissen getragen, in denen Angehörige der neuen urbanen Mittelschicht die Wortführerschaft übernommen haben, die über die erforderlichen sozialen und kulturellen Ressourcen verfügen, um ihre Anliegen öffentlichkeitswirksam zu artikulieren.
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Armin Hentschel vom Institut für Soziale Stadtentwicklung (IFSS) in Potsdam hat kürzlich darauf hingewiesen, dass dort, wo aktuelle stadt- und wohnungspolitische Probleme den Ausgangspunkt der Unzufriedenheit bilden, „die ökonomischen, verteilungs- und migrationspolitischen Hintergründe“ nur selten thematisiert werden. Häufig bleibt der Kampf gegen steigende Mieten und Gentrifizierung auf den Stadtteil beschränkt und erschöpft sich in wohlfeiler Kritik an Investoren und Käufern von Luxuswohnungen oder mündet in die Suche nach alternativen Baugruppen- und Genossenschaftsmodellen, den eher mittelschichtkonformen Lösungen. Bleibt der Erfolg aus, dann verpufft der Widerstand für gewöhnlich mit dem erzwungenen Umzug in ein preiswerteres Quartier.
Den Ursachen der zunehmenden sozialräumlichen Polarisierung in den Städten zu begegnen, hieße jedoch, das neoliberale Projekt grundsätzlich in Frage zu stellen und sich für gesamtgesellschaftliche Alternativen zu einer auf Deregulierung setzenden Arbeitsmarkt-, Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik stark zu machen. Das scheint derzeit mit den knappen Solidaritätsressourcen einer verunsicherten städtischen Mittelschicht nur schwer vereinbar.“