Dresden: Auch für die Landeshauptstadt hat das Pestel Institut Zahlen für den Neubaubedarf ermittelt, die von der Stadtverwaltung angezweifelt werden
Daher hier auch für Dresden noch eine etwas kürzere Beschäftigung mit der Pestel-Studie: Wie in Leipzig (https://www.facebook.com/LeipzigStadtFuerAlle/posts/954752074582864) gilt die Grundannahme des Pestel-Insituts von rund 1 Millionen Menschen, die in diesem Jahr in Deutschland Zuflucht suchen. Nach dem Königsteiner Schlüssel werden 5,1 % auf Sachsen verteilt, also 51.000 Menschen. Vom Freistaat werden sie nach der Erstaufnahme wiederum den Kommunen zugewiesen, Dresden hat mit 13,15 % einen ähnlichen Anteil wie Leipzig: ca. 6700 Menschen. Die weitere Annahme des Pestel-Instituts erläutert Matthias Günther so „Um die für Asylbewerber zusätzlich benötigten Wohnungen zu ermitteln, gilt die Formel: 100 Flüchtlinge, die nach Leipzig kommen, benötigen im Schnitt 40 Wohnungen.“ So kommt man wie in Leipzig auf 2.700 benötigte Wohnungen. Das gilt natürlich nur unter der Annahme, dass alle Menschen zumindest mittelfristig in Wohnungen untergebracht werden und aus den notdürftig eingerichteten Massenunterkünften in Turnhallen, zur Zeit leerstehenden Schulen, Leichtbauhallen, Zelten, Containersiedlungen etc. ausziehen können.
Und schon hier zeigt sich, dass Dresdens Stadtsprecher Kai Schulz zwar vom gleichen Thema spricht, aber nicht das Gleiche meint. „Die Zahlen des Instituts seien an verschiedenen Stellen nicht nachvollziehbar. Derzeit habe die Stadt 2642 Flüchtlinge in 439 Wohnungen untergebracht. Das Institut unterstellt dagegen, dass für jeweils 100 Flüchtlinge 40 Wohnungen benötigt würden. „Die Zahl von 2700 zusätzlichen Wohnungen für Flüchtlinge haut nicht hin“, sagte Schulz.
Kai Schulz unterschlägt bewusst oder unbewusst, dass das Pestel-Institut vom Jahresende 2015 spricht, also noch etwas über zwei Monate länger in den Blick nimmt. Von Januar 2015 bis einschließlich 23. Oktober 2015 wurden Dresden insgesamt 2.556 Menschen erstzugewiesen (https://www.dresden.de/de/rathaus/aktuelles/pressemitteilungen/2015/10/pm_076.php). Nach der derzeit noch gültigen, aber vermutlich deutlich zu gering angesetzten Prognose der Landesdirektion soll Dresden in diesem Jahr 5.365 Asylsuchende aufnehmen und damit mehr als das Doppelte der bisherigen Zahl. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die Zuweisung des Landes eher in der Größenordnung liegen wird, von der auch das Pestel-Institut ausgeht. Neben den 439 Wohnungen mit 2.642 Plätzen gibt es in Dresden mit Stand 26.10.2015 16 Asylbewerber_innenheime mit 1.153 Plätzen und derzeit drei Interimsstandorte in Turnhallen mit insgesamt 169 Plätzen an den Standorten Ginsterstraße (59 Plätze), Schleiermacherstraße (70 Plätze) und Thäterstraße (40 Plätze), insgesamt also etwas weniger als 4.000 Plätze. Wie diese Lücke zu füllen ist, bleibt derzeit offen.
Anscheinend geht Kai Schulz nicht davon aus, dass die Menschen nach ihrer Anerkennung oder Duldung in Dresden bleiben, denn sonst wäre ihm aufgefallen, dass seine Überlegung viel zu kurz greift. Mindestens die Hälfte der Menschen wird in Deutschland bleiben können und wenn sie Dresden als ihren Wohnort wählen, dann brauchen sie hier Wohnungen, um die bisherigen Unterkünfte für weitere Asylsuchende räumen zu können, die diese Plätze für ihr Anerkennungsverfahren benötigen.
Laut dem Statistischen Landesamt in Kamenz betrug der Bevölkerungszuwachs in Dresden 2014 5.554 Personen, 5.649 im Jahr zuvor und 7340 im Jahr 2012. Offenbar ist die Dresdner Bevölkerungsprognose 2014 näher an der Realität als die Leipziger von 2013: https://www.dresden.de/media/pdf/onlineshop/statistikstelle/Bevoelkerungsprognose_2014.pdf
Für
2015 wird hier der Einfachheit halber von 5.500 Personen ausgegangen, um die Neu-Dresdner_innen aus Syrien, Irak, Afghanistan etc. nicht doppelt in die Rechnungen eingehen zu lassen. In Dresden wird mit 1,80 Personen pro Haushalt gerechnet, also ca. 3050 neu hinzugekommene Haushalte, die überwiegend auch eine eigene Wohnung belegen. Das Pestel-Institut schätzt den Bedarf an neu belegten Wohnungen 2015 auf insgesamt 6360, abzüglich der 2700 Wohnungen für Geflüchtete also etwa 3660 Wohnungen.
Stadtsprecher Schulz verweist dagegen auf die Wohnungsbauzahlen von 2014. Im vergangenen Jahr seien 4200 Wohnungen in Dresden fertiggestellt worden. 1314 waren Neubauten, die übrigen sind grundhaft saniert worden. Zwar sei nicht ganz klar, wie viele der sanierten Wohnungen zuvor noch genutzt worden sind. Die Zahl der neu auf den Markt gekommenen Wohnungen sei jedoch auf jeden Fall höher anzusetzen als die vom Pestel-Institut genannten 1380 Objekte. Zudem habe es 2014 Baugenehmigungen für insgesamt 6300 Wohnungen gegeben, davon waren 3200 Neubauten.
Bei den etwa 2900 Sanierungen auch die von zuvor bewohnten Wohnungen in die Angaben zum Wohnungsbedarf einfließen zu lassen verlangt schon eine besondere Chupze. Offen bleibt, wie viele Neu-Dresdner Haushalte ihren Bedarf 2014 aus der marktaktiven Leerstandsreserve gedeckt haben bzw. 2015 decken werden und wie groß diese noch ist. In der Jahresmitte 2015 sollen in Dresden nach den Angaben von Stefan Szuggat, Leiter des Stadtplanungsamtes, noch etwa 20.000 Wohnungen leergestanden haben (6,8 Prozent), davon 18.743 in Mehrgeschosshäusern (http://www.menschen-in-dresden.de/2015/symposium-wohnen-in-dresden-20-000-wohnungen-in-dresden-stehen-leer/). Das wären insgesamt in etwa gleich viele wie in Leipzig zur selben Zeit (22.000 Ende 2014), wobei in Dresden leider nicht in markaktive und nicht marktaktive Wohnungen unterschieden wurde. Insofern kann auch nicht geschätzt werden, wann in Dresden der marktaktive Leerstand auf die Fluktuationsreserve von 2-3 % abgeschmolzen sein wird (ist in Leipzig bereits der Fall) und wieviele aktuell unvermietbare, meist ruinöse Wohnungen in welchem Zeitabschnitt wieder reaktiviert werden können.
Mit 1.400 bis 2.000 Neubauten pro Jahr wird auch Dresden den Wohnungsbedarf seiner Neu-Bürger_innen aber vermutlich nicht lange decken können.
Gänzlich aus dem Blick geraten ist dabei der Umstand, dass es dem Pestel-Institut auch nicht um die absolute Zahl der Wohnungszuwächse geht. „Es fehlen bezahlbare Wohnungen. Vor allem aber Sozialwohnungen. Also vier Wände für die Menschen, die sich teure Wohnungen in der Regel nicht leisten können“, macht Matthias Günther deutlich.
CDU-Fraktion im Dresdner Stadtrat, DIE LINKE im Dresdner Stadtrat, SPD-Fraktion Dresden, Bündnis 90/Die Grünen Stadtratsfraktion Dresden, FDP/FB-Fraktion im Dresdner Stadtrat, Dirk Hilbert, Petra Köpping
Dresden für alle, Mieterinitiative Stauffenbergallee
DNN-Online, Sächsische Zeitung, ColoRadio Dresden, DRESDEN FERNSEHEN, …