Leipzig-Zentrum: Bebauungsplan Nr. 392 „Wilhelm-Leuschner-Platz/Ost“ bislang offenbar ohne wohnungspolitische Instrumente
Nach dem Aus für das Freiheits- und Einheitsdenkmal auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz wurde bei der Entwicklung der größten innerstädtischen Brache mehrere Gänge zurückgeschaltet. Nun soll es jetzt auf einmal ganz schnell gehen. Für die nächste Ratsversammlung am 16.12.2015 ist eine Beschlussfassung der Vorlage „Leitlinien für die Weiterführung des Aufstellungsverfahrens zum Bebauungsplan Nr. 392 ‚Wilhelm-Leuschner-Platz/Ost‘ “ vorgesehen.
„Beschlussvorschlag:
1. Der Stadtrat beschließt die Leitlinien für die Weiterführung des Bebauungsplanes Nr. 392 „Wilhelm-Leuschner-Platz/Ost“
2. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, auf der Grundlage der Leitlinien den Entwurf des Bebauungsplanes Nr. 392 zu erarbeiten.“
https://ratsinfo.leipzig.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=1002484
Trotz oder gerade wegen der laufenden Debatte um die Zahl, die Größe und den Zuschnitt der geplanten Baufelder heißt es im Punkt „1. Städtebauliche Grundlage“ der Leitlinien:
„Städtebauliche Grundlage bleibt die im Rahmen einer Städtebauwerkstatt entwickelte Arbeit von Prof. Wolf/Prof. Pelčák. Diese lag dem Aufstellungsbeschluss zum Bebauungsplan-Nr. 392 zugrunde (Beschluss-Nr. RBV-815/11 vom 18.05.2011).“
Diese Festlegung wird vom Stadtforum Leipzig, mehreren Architekt_innenverbänden wie etwa dem BDA – Bund Deutscher Architekten – LV Sachsen und anderen stark kritisiert. Selbst innerhalb der Fraktionen herrscht keine Einigkeit. So hat etwa der Stadtrat William Grosser gegen die Mehrheit seiner Kolleg_innen in der Fraktion DIE LINKE im Stadtrat zu Leipzig einen Änderungsantrag VI-DS-01690-ÄA-01 eingereicht, in dem es heißt:
„Die Leitlinien für die Weiterführung des Bebauungsplanes Nr. 392 „Wilhelm-Leuschner-Platz/Ost“ werden auf der Grundlage des Vorschlages der Initiative Leipziger Architektenverbände neu überarbeitet. Ziel ist eine kleinteilige Baustruktur zur Anbindung der Innenstadt an die Quartiere im Süden und die Wiederherstellung eines Wilhelm-Leuschner-Platzes in den Formen des alten Königsplatzes.“
https://ratsinfo.leipzig.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=1003132
Die Diskussionen werden bislang vor allem um städtebauliche Aspekte geführt, v.a. um die Frage, ob es einen großen zentralen Platz mit ca. 16.000 m² („Esplanade“) geben oder ob der ehemalige Königsplatz mit ca. 9.000 m² mit seinen Baufluchten wiederhergestellt werden soll. Eine „Markthalle“ ist gesetzt, wobei darunter offenbar sehr unterschiedliche Vorstellungen vom großen Supermarkt mit Gemüsestand bis zu einer Markthalle nach dem Vorbild europäischer Metropolen existieren.
Bislang kaum diskutiert werden jedoch die sonstigen künftigen Nutzungen der Gebäude, vor allem nicht die Wohnungen, ihre Zahl, ihre künftigen Verkaufs- und Mietpreise und ihre potentiellen Bauherren und Eigentümerinnen. Hierzu heißt es in den Leitlinien lediglich:
„Wohnungen: der Mindestwohnanteil wird mit 20% der Geschossfläche im nördlichen Quartier und 40% der Geschossfläche im südlichen Quartier festgelegt. Im nördlichen Quartier sollen die Wohnungen horizontal mit anderen Nutzungen gemischt werden, im südlichen Quartier sind zur Windmühlenstraße und zur Brüderstraße auch Einzelgebäude mit ausschließlicher Wohnnutzung vorstellbar (vertikale Mischung), …“
Wohnungspolitische Instrumente wie etwa eine Quotierung bei der Schaffung von Miet- und Eigentumswohnungen und bei Größen und Preissegmenten, die Vergabe der im kommunalen Besitz befindlichen Bauflächen im Erbbaurecht an die LWB, Genossenschaften und private Eigentümer – von dazu bereiten Investoren bis hin zu Zusammenschlüssen mehrere kleinerer Baugemeinschaften – mit entsprechenden Festlegungen im Erbbaurechtsvertrag, die Erhöhung der Zahl von Wohnungen mit kommunalen Mietpreis- und Belegungsbindungen durch unmittelbare und vor allem durch mittelbare Bindungen (also in anderen Bestandswohnungen der Bauträger im Stadtgebiet) und andere mehr werden bislang weder öffentlich diskutiert noch sollen solche Festlegungen anscheinend Teil des Bebauungsplanes werden.
Wozu wurde ein Wohnungspolitischen Konzept der Stadt Leipzig verabschiedet, wenn die Stadtverwaltung und Kommunalpolitik offenbar nicht einmal auf ihren eigenen zentralen
innerstädtischen Bauflächen über eine Anwendung der in dem Konzept beschriebenen wohnungspolitischen Instrumente nachdenken möchte?
Auch angesichts der intensiven Debatten, die seit Jahren in der Stadt Jena um die Bebauung des Eichplatzes bzw. des ehemaligen Platzes der Kosmonauten mit einer ähnlichen zentralen Bedeutung für die Stadt geführt werden (http://www.jenapolis.de/tag/eichplatz/), wünschen wir uns weniger Basta!-Entscheidungen im Ausschuß Stadtentwicklung und Bau mit dem lapidaren Verweis auf eine Bürger_innenbeteiligung, die vor fünf Jahren unter gänzlich anderen Voraussetzungen lief.
Wir brauchen eine erneute öffentliche Diskussion über die künftige Bebauung des Wilhelm-Leuschner-Platzes und des „Markthallenviertel“, die aber nicht bei Baufeldern, Platzgrößen und Fassadengestaltungen stehen bleiben darf, sondern sich viel stärker als bisher um die Nutzungsarten und dabei inbesondere um die Zahl, Größe und Bezahlbarkeit der Wohnungen und um die mögliche Rolle der städtischen Tochter LWB, der Genossenschaften, Baugemeinschaften und renditeorientierter Bauunternehmen wie z.B. der Stadtbau AG drehen sollte.
Die Ergebnisse der öffentlichen Diskussion müssen in solche zentralen Leitlinien und vor allem bereits in den Entwurf des Bebauungsplanes eingerarbeitet werden und können nicht im normalen B-Plan-Verfahren irgendwie mitdiskutiert werden. Dazu wird deutlich mehr Zeit als bis zur nächsten Stadtratssitzung kurz vor Weihnachten benötigt.
#WoPoLE
CDU-Fraktion Leipzig, Fraktion DIE LINKE im Stadtrat zu Leipzig, SPD-Fraktion Leipzig, Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen Leipzig, Burkhard Jung.
LVZ-Online, L-iz Leipziger Nachrichten, Leipziger Zeitung, kreuzer – Das Leipzig Magazin, LEIPZIG FERNSEHEN, Info tv leipzig; mephisto 97.6, Radio Blau, Frizz Das Magazin Leipzig .
Werte Frau/Herr ,,WoPoLE“
Vielen Dank für Ihren sehr guten Beitrag.
Denn manche Kollegen vergessen manchmal, dass Architektur eine Gebrauchskunst
ist und wir Architekten dabei zwangsläufig nicht nur ästhetische und technische
Aspekte sondern auch ethische Fragestellungen zu berücksichtigen haben.
Ich-freiberuflicher Architekt und 65Jahre alt-bin Mitbegründer der Initiative Leipziger
Architekten und mit der Problematik ,,Leuschnerplatz“ sehr vertraut.
Wenn Sie hierzu Fragen haben oder Unterlagen benötigen , helfe ich Ihnen gerne.
mit freundlichen Grüßen
Adalbert Haberbeck
Architekt BDB
Tel. 0341 / 86 85 1-0
FT 0170 / 24 77 77 2
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