Pressemitteilung vom 25. November 2015
Nach dem Aus für das geplante Freiheits- und Einheitsdenkmal auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz wurde bei der Entwicklung der größten innerstädtischen Brache mehrere Gänge zurückgeschaltet. Nun soll es jetzt auf einmal ganz schnell gehen. Für die nächste Ratsversammlung am 16.12.2015 ist eine Beschlussfassung der Vorlage „Leitlinien für die Weiterführung des Aufstellungsverfahrens zum Bebauungsplan Nr. 392 ‚Wilhelm-Leuschner-Platz/Ost‘“ vorgesehen. In dieser heißt es: „Städtebauliche Grundlage bleibt die im Rahmen einer Städtebauwerkstatt entwickelte Arbeit von Prof. Wolf/Prof. Pelčák. Diese lag dem Aufstellungsbeschluss zum Bebauungsplan-Nr. 392 zugrunde (Beschluss-Nr. RBV-815/11 vom 18.05.2011).“
Diese Festlegung wird von der „Initiative Leipziger Architekten“, darunter Mitglieder aus dem Bund Deutscher Architekten (BDA), dem Bund Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure e.V. (BDB), der Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung e.V. (SRL), dem Stadtforum Leipzig und Pro Leipzig, und anderen Bürger_innen dieser Stadt stark kritisiert. Selbst innerhalb der Fraktionen herrscht keine Einigkeit. So hat etwa der Stadtrat William Grosser gegen die Mehrheit seiner Kolleg_innen in der Fraktion DIE LINKE im Stadtrat zu Leipzig einen Änderungsantrag eingereicht, in dem es heißt: „Die Leitlinien für die Weiterführung des Bebauungsplanes Nr. 392 ‚Wilhelm-Leuschner-Platz/Ost‘ werden auf der Grundlage des Vorschlages der Initiative Leipziger Architektenverbände neu überarbeitet. Ziel ist eine kleinteilige Baustruktur zur Anbindung der Innenstadt an die Quartiere im Süden und die Wiederherstellung eines Wilhelm-Leuschner-Platzes in den Formen des alten Königsplatzes.“
Die Diskussionen werden bislang vor allem um städtebauliche Aspekte geführt, v. a. um die Frage, ob es einen großen zentralen Platz mit ca. 16.000 m² („Esplanade“) geben oder ob der ehemalige Königsplatz mit ca. 9.000 m² in seinen Baufluchten wiederhergestellt werden soll. Eine „Markthalle“ ist gesetzt und soll von der Stadtbau AG errichtet werden, wobei darunter offenbar sehr unterschiedliche Vorstellungen vom Supermarkt mit extra großem Gemüsestand bis zu einer Markthalle nach dem Vorbild europäischer Metropolen existieren.
Bislang kaum diskutiert werden jedoch die sonstigen künftigen Nutzungen der Gebäude, vor allem nicht die Wohnungen, ihre Zahl, ihre künftigen Verkaufs- und Mietpreise und ihre potenziellen Bauherren und Eigentümerinnen. Hierzu heißt es in den Leitlinien lediglich: „Wohnungen: der Mindestwohnanteil wird mit 20% der Geschossfläche im nördlichen Quartier und 40% der Geschossfläche im südlichen Quartier festgelegt. Im nördlichen Quartier sollen die Wohnungen horizontal mit anderen Nutzungen gemischt werden, im südlichen Quartier sind zur Windmühlenstraße und zur Brüderstraße auch Einzelgebäude mit ausschließlicher Wohnnutzung vorstellbar (vertikale Mischung) … .“
Wohnungspolitische Instrumente wie etwa eine Quotierung bei der Schaffung von Miet- und Eigentumswohnungen und bei Größen und Preissegmenten, die Vergabe der im kommunalen Besitz befindlichen Bauflächen im Erbbaurecht an die LWB, Genossenschaften und private Eigentümer – von dazu bereiten Investoren bis hin zu Zusammenschlüssen mehrere kleinerer Baugemeinschaften – mit entsprechenden Festlegungen im Erbbaurechtsvertrag, die Erhöhung der Zahl von Wohnungen mit kommunalen Mietpreis- und Belegungsbindungen durch unmittelbare und vor allem durch mittelbare Bindungen (also in anderen Bestandswohnungen der Bauträger im Stadtgebiet) und andere mehr werden bislang weder öffentlich diskutiert noch sollen solche Festlegungen anscheinend Teil des Bebauungsplanes werden.
Wozu wurde ein Wohnungspolitisches Konzept der Stadt Leipzig verabschiedet, wenn die Stadtverwaltung und Kommunalpolitik offenbar nicht einmal auf ihren eigenen zentralen innerstädtischen Bauflächen über eine Anwendung der in dem Konzept beschriebenen wohnungspolitischen Instrumente nachdenken möchte?
Roman Grabolle formuliert für das Netzwerk „Leipzig – Stadt für alle“: »In anderen Städten werden um Grundstücke von ähnlich zentraler Bedeutung intensive politische Debatten geführt. So wird in Jena seit Jahren um die Bebauung des Eichplatzes bzw. des ehemaligen Platzes der Kosmonauten gerungen. In Berlin fordert das Bündnis „Stadt von unten“ für das Dragonerareal in Kreuzberg „100% kommunalen und selbstverwalteten“ Wohnungsbau. Das wäre auch für den Leuschnerplatz eine geeignete Zielvorgabe! Wir wünschen uns folglich im Ausschuss Stadtentwicklung und Bau und in der Ratsversammlung weniger Basta!-Entscheidungen mit dem lapidaren Verweis auf eine Bürger_innenbeteiligung, die vor fünf Jahren unter gänzlich anderen Voraussetzungen verlief.«
Leipzig braucht eine erneute öffentliche Diskussion über die künftige Bebauung des Wilhelm-Leuschner-Platzes und des „Markthallenviertels“, die aber nicht bei Baufeldern, Platzgrößen und Fassadengestaltungen stehen bleiben darf, sondern sich viel stärker als bisher um die Nutzungsarten und dabei insbesondere um die Zahl, Größe und Bezahlbarkeit der Wohnungen und um die mögliche Rolle der städtischen Tochter LWB, der Genossenschaften, Baugemeinschaften und renditeorientierten Bauunternehmen wie z. B. der Stadtbau AG drehen sollte.
Die Ergebnisse der öffentlichen Diskussion müssen in solche zentralen Leitlinien und vor allem bereits in den Entwurf des Bebauungsplanes eingearbeitet werden und können nicht im normalen B-Plan-Verfahren irgendwie mitdiskutiert werden. Dazu wird deutlich mehr Zeit als bis zur nächsten Stadtratssitzung kurz vor Weihnachten benötigt.
»In diesem Sinne wird „Leipzig – Stadt für alle“ zu Beginn des neuen Jahres für den Leuschnerplatz einen Planungsprozess „von unten“ anstoßen, der über konventionelle Formen der Bürger_innenbeteiligung hinausgeht. Gegenüber dem bestehenden Verwaltungszentralismus wollen wir die Kompetenzen aller, die an einer sozialen und demokratischen Stadtentwicklung interessiert sind, fruchtbar machen«, kündigt Tobias Bernet für das Netzwerk an. »Über eine breite Beteiligung am Prozess freuen wir uns sehr.«
Es geht ja um den Filetstück Leipzigs. Weder die Entwürfe von Promenade und Esplanade kann ich mir anfreunden. Solche austauschbare eintönige Kästen nach Bauhaus bzw. Stadtvilla-Stil kann man in der Stadt überall oder in den Baulücken zwischen den Häusern hinstellen, aber nicht auf dieser historisch und momentan einmalig weite freie Fläche direkt am Zentrum. Die Trinitatiskirche nebenan ist mehr oder weniger schon eine Entgleisung. Man soll jetzt die Chance nicht sausen lassen wie z.B. Dresden mit ihrer Rekonstruktion mit den vielen Quartieren am Neumarkt an der Frauenkirche gleichzuziehen. Warum können wir nicht? Innside by Melia-Hotelbau am Dittrichring ist schon eine Augenweide, davon leider viel zu selten in Leipzig. Was würde Paris heute aussehen, wenn man immer “so” baut?
Ich fände sinnvoll, wenn man auf dem Platz wieder genau diese alte Markthalle rekonstruktiert. Auf der übrigen Fläche könnte man wieder diese wunderbare Häusergruppe Hotel de Prusse, Cafe Bauer und Gesellschaftshaus Harmonie wiederauferstehen lassen und der Königsplatz die ovale Baum-Bepflanzung wiederbekommen. Es wird sich auf Dauer sicher lohnen. Hoffentlich ist es nicht zu spät?
Meiner Meinung kann Leipzig die Errichtung des Einheits- und Freiheitsdenkmal getrost verzichten. Dafür eignen sich schon die “Nikolaisäule”, “Tafel “9. Oktober 1989”, der “Nikolai-Brunnen” und die “Lichtinstallation” auf dem Nikolaikirchhof vollkommen. Es gibt auch noch dieses Bronze-Ei auf dem Augustusplatz.