Verbietet endlich das Bauen neuer Wohnungen!

Leipzig: Guratzsch will mal wieder Wohnungsbau verbieten – Imagination und Realität des Wohnungsleerstandes in Leipzig

Dankwart Guratzsch bespricht in der WELT das Buch von Daniel Fuhrhop “Verbietet das Bauen!” (http://www.verbietet-das-bauen.de/ und Bauverbot) und arbeitet sich einmal mehr an (angeblichen) Leerständen (in den großen Städten) und der Kritik am Wohnungsneubau ab. Unterlegt wird dies jedoch mit dem Foto eines nahezu voll bewohnten Hauses in Leipzig-Lindenau.

“Tatsächlich müsste keine einzige Wohnung neu gebaut werden, denn in Deutschland stehen 1,7 Millionen Wohnungen leer – alle hervorragend infrastrukturell erschlossen, alle baugenehmigt, die meisten in Streulage (die unerwünschte Gettobildungen vermeiden hilft), die meisten förderfähig. Gefordert sind nur ein gezieltes Um- und Weiterdenken, fantasievolle Architektenentwürfe, Lust und Ideen zum An- und Weiterbauen sowie zu sachgerechter, angepasster Modernisierung. … .”

Soll man den 76-jährigen Journalisten und Architekturkritiker Dankwart Guratzsch nun dafür bewundern, wie er es schafft, ca. einmal im Monat den gleichen Artikel mit leichten Variationen an DIE WELT und andere Zeitungen zu verkaufen, oder soll man sich darüber ärgern, dass seine Architekturkritik dabei fast immer ohne Mernschen und ohne Gesellschaft auskommt? Es gibt für Guratzsch nur schöne, alte und häßliche, neue Häuser, zu denen alles gehört, was seit 1970er Jahren gebaut wurde. Es gibt für ihn leider keine Menschen, die in ihren leben – mit eigenen Bedürfnissen und Problemen. Es gibt keine Mieten und keine Einkommen, keine Armut, keine Chancen auf Ausbildungs- und Arbeitsplätze … . Es gibt für Guratzsch keine Wohnungsnot in den Großstädten, da in Dörfern und Kleinstädten tausende Wohnungen leerstehen.

Tief, aber sehr unglücklich ins Bildarchiv gegriffen haben diesmal die Redakteur_innen der WELT, die den jüngsten Erguss von Guratzsch mit einem Foto aus Leipzig ergänzten und dies untertitelten: “Freiraum mitten in der Stadt: In Deutschland stehen 1,7 Millionen Wohnungen leer. Viele davon müssten einfach saniert werden, wie dieser Altbau in Leipzig.” Dumm ist nur, dass dieses Haus an der Ecke Merseburger Straße und Georg-Schwarz-Straße in Lindenau nahezu voll bewohnt ist.

Gleichzeit zeigt dieser Lapsus aber wahrscheinlich sehr gut die große Lücke zwischen der Wahrnehmung des angeblich unendlichen Leerstandes in Leipzig und der Realität im Jahr 2016 und in den folgenden Jahren.

Quelle: Neue Untersuchungen zeigen die Klimaschädlichkeit aktueller Siedlungskonzepte auf. Die Wohnungsfrage für Flüchtlinge kann nicht durch Neubauten gelöst werden, die nur neue Probleme schaffen.

Ein Gedanke zu „Verbietet endlich das Bauen neuer Wohnungen!

  1. Es mag etwas merkwürdig anmuten, dass ich mich als Autor jenes Buches äußere, das Dankwart Guratzsch in seinem Text besprochen hat, und wofür er nun im obigen Beitrag so heftig kritisiert wird. Doch scheint mir manches an dieser Kritik auf ebenfalls merkwürdige Weise an den drängenden sozialen und gesellschaftlichen Fragen vorbeizugehen.
    Vorab kurz zu zwei unpassenden Details: Man kann Herrn Guratzsch schlecht vorwerfen, dass die Redaktion ein falsches Bild in die Zeitung packte, und sollte selbst den Bildredakteuren nicht gleich unterstellen, sie wüssten nichts von Wohnungssuche in Leipzig. Und worauf die Behauptung gründet, Dankwart Guratzsch fände Häuser hässlich, die nach den 1970er Jahren gebaut wurden, bleibt nach dem Lesen seines Textes offen – dort steht rein gar nichts über Schönheit oder Ästhetik.
    Stattdessen schreibt er über die sozialen Gefahren, die mit dem Neubau von großen Siedlungen verbunden sind, denn mit dem Argument „für die Flüchtlinge“ müsse es sein, werden derzeit in Deutschlands Metropolen Großsiedlungen mit mehreren Tausend Wohnungen geplant. Dahinter stecken Ideenlosigkeit und das Profitinteresse der Bauwirtschaft, die – neben dem Bau von Luxuswohnungen – nun einen zweiten gewinnbringenden Bereich wittert.
    Freilich stehen nicht mehr so viele Wohnungen in Leipzig leer wie in den Neunziger Jahren, weshalb übrigens in meinem Buch auch die Leipziger Kollektivhäuser beschrieben werden, wo in immerhin über sechzig Fällen Menschen ganze Häuser der Spekulation entrissen haben. Wenn nun aber Wohnungen in Leipzig wieder knapper werden, müssen wir dann wirklich möglichst schnell und viel neu bauen? Oder macht es nicht vielmehr Sinn, den ewigen Neubau zu hinterfragen?! Schließlich liegt Leipzig, wenn man 30.000 Eingemeindete rausrechnet, mit 560.000 Einwohnern jetzt gerade mal wieder beim Stand von 1989 (und immer noch 50.000 unter dem Nachkriegsstand) – seitdem aber sind zigtausend Wohnungen neu gebaut worden!
    Wir sollten endlich prüfen, wie wir unsere bestehenden Häuser anders und besser nutzen können. Dazu finden sich in meinem Buch „fünfzig Werkzeuge, die Neubau überflüssig machen“, etwa andere Formen des Zusammenwohnens, oder die Förderung von Einliegerwohnungen und Untermiete in jenen Eigenheimen, in denen einer allein lebt. Und natürlich die Bekämpfung von Leerstand, wobei in Leipzig neben immer noch weit über 10.000 Wohnungen auch über eine Viertel Million Quadratmeter Büros leerstehen! All das ist sozialer als Neubau, denn die günstigsten Mieten gibt es immer im Altbau, egal ob aus den 1870ern oder 1970ern. Die bereits gebauten Häuser bilden unsere Städte und unsere Dörfer, und es lohnt sich darüber nachzudenken, wie wir sie neu beleben können.

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