Ein Paradies – aber nicht für alle

Görlitz: Oberbürgermeister Deinege über Vorteile und Nebenwirkungen des starken Zuzugs von Rentner_innen

szonline: „Herr Deinege, Görlitz hat sich in den vergangenen zehn Jahren einen Namen als Seniorenparadies gemacht. Wie finden Sie das?
SD: Ich finde es zunächst mal gut, dass wir uns einen Namen gemacht haben. Aber Seniorenparadies ist nur eine Facette. 80 Prozent meiner Arbeitszeit verwende ich darauf, junge Leute in meiner Stadt zu halten. …
SZ: Wie viele Senioren sind denn bisher nach Görlitz gezogen?
SD: Seit der Wende mögen es einige Tausend sein, die in Görlitz eine neue Heimat gefunden haben. Seit dem Jahr 2011 beobachten wir, dass sich dieser Trend verstärkt. Damals sind es noch 251 gewesen. Unter den 2 716 Zugezogenen im Jahr 2014 sind 318 Senioren. Auch dieser Zuzug hat dazu beigetragen, dass die Stadt nicht mehr schrumpft. Wir liegen jetzt bei gut 56 200 Einwohnern. …
SZ: Görlitz wächst – das hätte noch vor wenigen Jahren kein Mensch für möglich gehalten.
SD: So ist es. Schließlich ist dieses Wachstum auch möglich, weil wir einige Sonderprogramme für junge Görlitzer aufgelegt haben, damit sie hierbleiben. Zu diesem Trend trägt auch bei, dass allein im vergangenen Jahr etwa 1 000 Polen in die Stadt gezogen sind, insgesamt sind es jetzt 2 200 – vielfach motiviert durch den Mindestlohn.
SZ: Und Sie können leer stehende Wohnungen in der schönen Innenstadt füllen.
SD: Es geht gar nicht so um die Innenstadt. Da ziehen vor allem junge Leute hin, der Altersdurchschnitt liegt hier unter 40 Jahren. In anderen Stadtgebieten liegt der Schnitt eher bei 50 oder mehr Jahren. Diese Gründerzeitviertel wollen wir jetzt durch Förderprogramme attraktiver und barrierefrei gestalten, damit die Senioren auch da bleiben wollen.
SZ: Haben die Neubürger besondere Erwartungen, auf die Sie sich einstellen müssen?
SD: Sie wollen das Leben hier genießen und stellen hohe Anforderungen an die Infrastruktur. Die Straßen müssen in Ordnung sein, sie erwarten ein gutes Radwegenetz. Auch das Thema behindertengerechte Straßenbahn spielt da hinein.
Die reiche Görlitzer Theater- und Museumslandschaft kommt gut an bei ihnen, unsere beiden Kliniken werden geschätzt. Im Handel muss etwas passieren. Unsere Neubürger wollen qualitätsvoller einkaufen. Das neue alte Kaufhaus geht in diese Richtung. … .“

http://www.sz-online.de/sachsen/ein-paradies-aber-nicht-fuer-alle-3425834.html Quelle: Siegfried Deinege, Oberbürgermeister von Görlitz, über Vorteile und Nebenwirkungen des starken Zuzugs von Rentnern.