Schland: „Stadt der Flüchtlinge“. Robert Kaltenbrunner (@bbsr_bund) @NZZ über #Segregation und #Integration
NZZ Neue Zürcher Zeitung: „Für die Integration von Flüchtlingen und Migranten in unseren Städten gibt es keine einfachen Rezepte. Ethnisch homogene Nachbarschaften können sich genauso bewähren wie gemischte Wohnquartiere. …
Heute wird im Allgemeinen eine gezielte räumliche Durchmischung in der Stadt postuliert: als Massnahme gegen soziale Abschottung, gegen Ghettos, Gewalt und Ausgrenzung. Aus der gemeinsamen Anwesenheit in einem wie auch immer gearteten Raum soll sich gleichsam ein «common ground» ergeben mit geteiltem Grundkonsens, gegenseitigem Verständnis und Toleranz. Doch sind solche Annahmen belastbar? Ist es nicht schon im Menschsein angelegt, dass wir am liebsten mit unseresgleichen zusammen sind? Warum drängen die Türken nach «Klein-Istanbul» in Berlin oder die Chinesen nach New Yorks Chinatown, anstatt sich in einem ausgewogenen Mischungsverhältnis zu assimilieren? Ein bestimmtes Mass an Segregation hat und braucht jede Gesellschaft. Und indem die Stadt die verschiedenen Milieus in verschiedene Räume sortiert, übersetzt sie soziale und kulturelle Distanzen in räumliche Distanzen. Eigenarten bleiben erhalten, aber die Möglichkeit von Konflikten wird verringert, indem Fremdheit und Andersartigkeit aus der Wahrnehmung ausgeklammert wird.
Allein, diese Balance muss immer wieder neu ausgehandelt werden. Zumal das Wechselspiel von Homogenität und Heterogenität ein zentrales Leitmotiv städtischer Entwicklung überhaupt darstellt. Und Segregation wird dann nicht als Problem gesehen, wenn sie ohne Zwang erfolgt und Personen ähnlichen Lebensstils oder verwandter Milieus in einem Wohngebiet vorherrschen. Gebiete jedoch, in denen Zuwanderer in hoher Anzahl leben, werden gern als Ausdruck bewusster Desintegration gewertet. Dahinter steht die normative Annahme, dass soziale Mischung gut sei, ethnisch homogene Stadtteile aber ein Problem. Zusammengehörigkeit und Abgrenzung bilden jedoch keinen Gegensatz, sondern eine Art kommunizierende Röhre. Auf individueller Ebene ist die Frage der Integration diejenige nach gelingender Nachbarschaft. … .“
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