Sachsen: #Erzgebirgskreis hat niedrigste Bruttoeinkommen. #Landflucht+#Abwanderung. Wahlentscheidungen gegen eigene ökonomische Interessen im “emotionalen Eigennutz”
Deutschlandfunk: “An den Rand gedrängt. Die Unzufriedenheit in Annaberg-Buchholz ist groß – das zeigen die Bürger des Erzgebirgskreises der Kanzlerin bei einem Wahlkampfauftritt. Der Landkreis im Südwesten von Sachsen ist laut Bundesregierung der mit dem niedrigsten monatlichen Bruttoeinkommen. …
Warum zahlen die Arbeitgeber hier niedrigere Löhne als in anderen Regionen? “Da gibt es viele viele Gründe. Der Wichtigste ist, dass sie es gewohnt waren, in Zeiten des “Personalwirtschaftlichen Paradieses” – Professor Michael Behr hat diese Theorie entwickelt – dass die gewohnt waren nach dem ostdeutschen Umbruch, immer genug Leute zu bekommen.” Hauptsache Arbeit, das sei hier lange Jahre das Credo gewesen. Mit dem Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft haben gerade junge Menschen das Erzgebirge verlassen. Diejenigen, die blieben, durften bei der Jobsuche nicht wählerisch sein. …
“Wir sind im Moment an einem ganz schwierigen Punkt und den sollten alle Leute, die politische Verantwortung tragen oder in der Verwaltung auch sehr sehr ernst nehmen. Wir haben dort eine latent steigende Unzufriedenheit, wie die: arbeite Vollzeit, bin fleißig, bekomme am Ende 13, 1400 raus, das funktioniert nicht mehr mit meiner Familie. Und die Leute machen dann andere dafür verantwortlich.” … .”
Sachsen: @Miss_Achtung und @cpollmer berichten für @SZ aus dem #Bibelgürtel #Erzgebirge. “Sind die Rechten bürgerlich geworden oder die Bürgerlichen rechts?” – 20. August 2017 – https://www.facebook.com/LeipzigStadtFuerAlle/posts/1485107258214007
Warum wählen so viele Leute dennoch CDU oder AfD, die dieselbe Wirtschaftspolitik weiter betreiben wollen? Einen Erklärungsversuch könnte die Untersuchung der US-amerikanischen Soziologin Arlie Russell Hochschild in Louisiana bieten:
“… Eine Arbeitsgesellschaft, in der mehr als 150 Jahre lang gelernt wurde, dass die Wertigkeit des eigenen Lebens – lange für Männer, jetzt auch für Frauen – aus der Arbeit und deren Anerkennung resultiert und die dazu übergegangen ist, dass Arbeit als rein „instrumentell“ zur Sicherung des Über-Lebens gesehen werden muss (sieht man von den hochqualifizierten Berufen ab) hat wenig Ressourcen bereit gestellt, die fehlende Anerkennung anderweitig abzusichern. Die Bürger_innen sind in ihrer zweiten Schicht nur als Konsument_innen vorgesehen. Hochschild erfährt in ihren Interviews, dass diese verlorene Wertigkeit in der Tea-Party gesucht wird: dort wo Weiß-Heterosexuell-Mann-Ländlich-Religiös-Sein (wieder) Geltung erlangen. Das Ressentiment gegen die Identitätspolitik von Minderheiten speist sich demnach aus der eigenen Leerstelle in dieser Politik. Alles „Eigene“ erfährt keine Politik. Und wo sie sie erfährt, will niemand sein: bei den wirklich Armen, die vom Staat alimentiert werden müssen. Also gilt auch diese Gruppe als eine, die die eigene Position gefährdet, da die Gefahr besteht, eines Tages zu ihr zu gehören. Wohlfahrt meint in dieser Sicht: Den Arbeitenden werde Geld genommen und den Müßigen (the idle) gegeben.
Hochschild zeigt, dass hier nicht für eigene ökonomische (oder Klassen-) Interessen gewählt wird, sondern im emotionalen Eigennutz („emotional self-interest“). Aufwertungsnot und Anerkennungsbedarf sind treibende Motive. Die regionale Gemeinschaft, die Kirche, die Tea Party werden als Ressourcen wahrgenommen. … .”
Kornelia Hausers Rezension von Hochschilds Buch “Strangers In Their Own Land”, kritisch-lesen.de vom 4.4.2017.
https://www.kritisch-lesen.de/rezension/die-tea-party-in-selbstbehauptungskampfen
USA: Arlie Russell Hochschild: “Strangers In Their Own Land”.
Leseprobe @derfreitag. #BigSort #TeaParty. “Cajun, katholisch, konservativ“
https://www.facebook.com/LeipzigStadtFuerAlle/posts/1507723785952354