Stellungnahme und Forderungen zur Ergänzung der Eigentümerziele für die LWB

Kommunale Einflussmöglichkeiten nutzen – LWB und kommunale Immobilienbestände als Instrument der Stadtentwicklung in Leipzig einsetzen

Mittlerweile sehen alle Fraktionen im Leipziger Stadtrat Handlungsbedarf, um bei anhaltender Beliebtheit der Stadt und stetigem Zuzug mittelfristig Verdrängung und Segregation vorzubeugen. Zu Recht rücken dabei die Eigentümerziele für die LWB in den Fokus, die kommenden Mittwoch im Stadtrat behandelt werden, da die Stadt über die LWB sehr effektiv Einfluss auf den Wohnungsmarkt und die Stadtentwicklung nehmen kann.

I. Die aktuellen Anträge zur Änderung der LWB-Eigentümerziele

1. Preiswerter Wohnraum muss in allen Ortsteilen gesichert werden

Wir bedauern, dass in der Neufassung des Antrags der SPD die anzustrebende Gleichverteilung der Bestände auf die Ortsteile und der Mindestbestand im Verhältnis zur Bevölkerungszahl in allen Stadtbezirken entfallen sind. In den neu eingemeindeten Ortsteilen mag dies tatsächlich nicht sinnvoll sein. Allerdings hat die LWB in den letzten Jahren vielfach unbewohnte und auch bewohnte Gebäude in der Südvorstadt, in Connewitz, Schleußig, Plagwitz, Lindenau und Neuschönefeld verkauft. Dort ist aus unserer Sicht – wie im gesamten Gründerzeitgürtel – preisgünstiger Wohnraum im LWBEigentum dauerhaft nötig, um Verdrängung und Segregation vorzubeugen.

Dies sollte auch in den Eigentümerzielen klar formuliert sein, da sonst in unternehmerischen Entscheidungen der LWB die Entschuldung immer über Anliegen der Stadtentwicklung die Oberhand zu gewinnen droht. Deshalb sollte auch gesichert sein, dass in begehrten Ortsteilen Gebäude aus verschiedenen Bauepochen sowie unterschiedliche Wohnungsgrößen ausreichend im Bestand der LWB vertreten sind.

Da die LWB mittlerweile auch erste Neubauprojekte plant, sollte auch jetzt bereits gesichert werden, dass in jedem Bauvorhaben eine Mindestquote von preisgünstigen Wohnungen vorgesehen wird, um Segregation vorzubeugen.

2. Preissteigerungen bei Verkauf verhindern

Die neu
aufgenommenen Punkte zur Vermeidung von Preissteigerungen bei der Sanierung und zur Unterstützung des MieterInnenkaufs unterstützen wir dagegen sehr. Dies kann wesentlich besser als Neubau- und Sozialwohnungsprogramme zur Verhinderung von Verdrängung beitragen.

Allerdings kommt beim MieterInnenkauf ebenso wie bei einer Sozialcharta viel auf die Details der Regelungen an, die im Antrag nicht behandelt werden. Vielerorts sind Sozialchartas bereits an mangelnder Durchsetzbarkeit, Ungültigkeit nach Weiterverkauf und anderen Problemen gescheitert. In diesem Sinn unterstützen wir den Änderungsantrag der Linken, die Miethöhe über das Grundbuch abzusichern. Eine festgeschriebene Mietsteigerung, die sich am Mietspiegel orientiert, halten wir aber aufgrund der Struktur des Mietspiegels für problematisch. Aus unserer Sicht wäre nur das Festschreiben von 20 – 30 % KdU-fähigen Wohnraums effektiv.

3. MieterInnenkauf braucht klare Regelungen und muss gefördert werden

Beim MieterInnenkauf gilt es, sowohl eine Wiederholung der schlechten Erfahrungen der LWB mit dem Verkauf einzelner Wohnungen an MieterInnen zu vermeiden als auch ein wirksames und nutzbares Angebot für MieterInnen zu schaffen. Dazu muss aus unserer Sicht sichergestellt sein, dass MieterInnen nicht sämtliche InvestorInnen überbieten müssen, um das von ihnen bewohnte Haus kaufen zu können sowie ausreichend Zeit, Beratung und Finanzierungshilfen erhalten, um eine realistische Chance dazu zu haben.

Da Eigentumswohnungen aus unserer Sicht das Verdrängungsproblem nicht dauerhaft lösen können und einzelne Eigentumswohnungen in Mietkomplexen aus Sicht der LWB große Probleme aufwerfen, plädieren wir dafür, ausschließlich ganze Häuser und ausschließlich an Eigentumsformen in MieterInnenselbstverwaltung (Genossenschaften, Vereine, Hausgruppen) zu verkaufen. Dies kann nachhaltig zum Erhalt günstigen und bedarfsgerechten Wohnraums beitragen.

4. Niedrigschwellige Sanierung statt Neubau

Preiswerter Wohnraum kann am effektivsten durch niedrigschwellige Sanierung im Altbau geschaffen und erhalten werden. Im Neubau ist lediglich eine Quersubventionierung von preiswertem Wohnraum durch entsprechend höhere Mieten im Luxussegment möglich. Daher stehen wir der im Änderungsantrag der Linken geforderten Verpflichtung zum Neubau oder zum Erwerb von in den vergangenen 20 Jahren errichteten Gebäuden kritisch gegenüber. Mit der Übernahme von Beständen aus den 20er bis 60er Jahren oder von Objekten, mit denen sich andere Träger verspekuliert haben, kann das Ziel ebensogut erreicht werden.

II. Grundsätzliche Neuausrichtung der städtischen Liegenschaftspolitik

Die aktuellen Anträge zur LWB gehen in die richtige Richtung. Gefragt ist aber eine grundsätzliche Neuausrichtung der städtischen Immobilienpolitik. Diese betrifft nicht nur den Bestand der LWB, sondern grundsätzlich alle Liegenschaften im Eigentum der Stadt, der LVV und ihrer Tochterunternehmen.

1. Kommunales Eigentum eröffnet Gestaltungsspielräume

Die rechtlichen Handlungsmöglichkeiten der Stadt bei der Gestaltung des Wohnungsmarkts sind eng begrenzt (wenn sie auch noch lange nicht ausgeschöpft sind).

Um langfristig günstige Mieten zu sichern und Segregation entgegenzuwirken, braucht die Stadt daher eigene Liegenschaften, sowohl direkt als Eigentümerin als auch über die LWB sowie die LVV und ihre Tochterunternehmen.Hierüber kann sie sehr gezielt und effektiv Einfluss auf die Stadtentwicklung ausüben. Diese Möglichkeiten werden bisher fast nicht genutzt. LWB und andere kommunale Unternehmen werden zu sehr als autonome Wirtschaftseinheiten mit wirtschaftlichen Zielsetzungen und Sachzwängen betrachtet, ihr möglicher Beitrag zur Stadtentwicklung und zur Vermeidung hoher sozialer Folgekosten an anderer Stelle wird bisher kaum berücksichtigt.

2. Kommunales Eigentum langfristig erhalten – Erbbaurecht nutzen

Der Verkauf von Grundstücken bedeutet immer den Verlust von Einflussmöglichkeiten. Wenn Grundstücke stattdessen in Erbbaurecht vergeben werden, erhält sich die Stadt vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten bis hin in Details von Nutzungsarten und Bebauungen. Auch etwaige Bestimmungen einer Sozialcharta können im Erbbaurecht deutlich besser verankert werden.

Für junge Unternehmen wie für neue Hausprojekte bietet die Vergabe im Erbbaurecht die nötige Flexibilität und gleichzeitig die erforderliche Sicherheit, um die Einstiegshürden auf dem Weg zu selbstgenutzten Räumen zu überwinden.

Nicht zuletzt sichert sich die Stadt als Eigentümerin so regelmäßige und dauerhafte Einnahmen.

3. Einstiegshürden senken, dauerhafte Perspektiven sichern

Bislang sorgte die Ausnahmesituation auf dem Leipziger Immobilienmarkt dafür, dass der Zugang zu Räumen relativ leicht war. Das ändert sich gerade sehr schnell.

Soll die „Leipziger Freiheit“ erhalten bleiben, muss die Stadt dafür sorgen, dass weiterhin allen Bevölkerungsschichten den Zugang zu günstigem Wohn- und Arbeitsraum möglich bleibt. Dazu kann die oben erwähnte Vergabe im Erbbaurecht beitragen, aber auch eine Förderung von sozial gebundenem Wohn- und Arbeitsraum mit MieterInnenselbstverwaltung, etwa durch einen revolvierenden städtischen Fonds.

Temporäre Nutzungen wie Wächterhäuser haben ihre Potentiale gezeigt. Oft sind in diesen Nischen wichtige Ansätze für eine nachhaltige Stadtentwicklung entstanden. Der Nachbarschaftsgarten in Lindenau ist dafür ein Beispiel – nicht
von oben geplant und gerade deshalb für den Stadtteil enorm wichtig. Entscheidend wird sein, solche temporären Nutzungen weiter niedrigschwellig zu ermöglichen, aber von Anfang an die Option für langfristige Perspektiven offen zu halten.

4. Vergabeverfahren im öffentlichen Dialog erarbeiten

Die Vergabe von Immobilien darf nicht als einfaches Mittel zum Stopfen von Haushaltslöchern dienen. Sie muss als strategisches Instrument eingesetzt werden, um langfristig eine sozial verträgliche Stadtentwicklung zu gestalten. Wie ein Grundstück genutzt wird, hat enorme Auswirkungen auf die Stadt – durchdachte Nutzungsstrategien können Kosten an anderer Stelle vermeiden; etwa wenn selbstbestimmter sozialer Wohnraum geschaffen wird, wenn kleinen Unternehmen günstige Arbeitsräume geboten werden oder wenn soziokulturelle Initiativen Begegnungsräume im Stadtteil schaffen.

Leipzig hat gute Erfahrungen mit sozial gebundener Immobilienvergabe gemacht (etwa beim Preisnachlass für Familien). Entscheidend wird sein, diese Erfahrungen in eine systematische und grundlegende Neuausrichtung der städtischen Immobilienvergabe einfließen zu lassen.

Wenn Immobilien verkauft oder Grundstücke in Erbpacht vergeben werden sollen, ist ein Vergabeverfahren nötig, das sich nicht am Höchstpreis, sondern am sozialen, kulturellen und städtebaulichen Nutzen orientiert. BestandsmieterInnen müssen Vorrang haben, ebenso wie Eigentumsformen, die eine langfristige Sozialbindung ermöglichen. Dies können bestehende Genossenschaften sein, neue (Ein-Haus)-Genossenschaften oder genossenschaftsähnliche Modelle wie das Mietshäuser-Syndikat. Gerade bei letzteren kann nicht nur bei der Vergabe in Erbpacht sondern auch beim Verkauf städtischer Immobilien garantiert werden, dass dauerhaft selbstbestimmter Wohnraum auch für untere Einkommensgruppen gesichert wird.

Eine Konzeptvergabe darf nicht dazu führen, Grundstücke zu Schnäppchenpreisen an die größten Player auf dem Immobilienmarkt zu verschleudern. Solche Befürchtungen weckt die Forderung nach einem Vergabe im Konzeptverfahren im jüngsten „Positionspapier ‚der Leipziger Immobilienakteure’“. Die genaue Ausgestaltung solcher Vergabeverfahren darf kein Hinterzimmergeschäft sein. Sonst droht ein aufgeweichtes

Konzeptverfahren wie in Berlin, wo letztlich doch die großen Investoren das größte Gewicht haben.

Entscheidend ist die Erarbeitung dieser Kriterien als öffentlicher Dialog unter größtmöglicher BürgerInnenbeteiligung und Einbeziehung der Zivilgesellschaft.

Leipzig, März 2014

Info: Das Leipziger Bündnis Stadt für Alle existiert seit 2012 und setzt sich für eine soziale und demokratische Stadtentwicklung ein. Ziel ist es Verdrängung und Segregation zu verhindern, das Wohnen für alle langfristig bezahlbar zu halten und notwendige Freiräume zu erhalten und neu zu schaffen. Stadt für Alle bündelt Aktive aus der Zivilgesellschaft, Wissenschaft und gemeinnützig orientierten Wohnprojekten.

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