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das ganze Baugesetzbuch

Wir wollen nicht nur sechs kleine Milieuschutzgebiete, sondern das ganze Baugesetzbuch – und noch mehr!

Das Netzwerk „Leipzig – Stadt für alle“ setzt sich seit 2017 intensiv für die Einführung sogenannter Milieuschutzgebiete ein. Wir freuen uns, dass unsere Forderungen aus der Pressemitteilung vom 9. Juni 2020 nun zum Teil umgesetzt werden und mit den ersten sechs Gebieten etwa 48.000 von insgesamt 343.000 Haushalten in Leipzig (also ca. 14 Prozent) einen gewissen Schutz vor Luxusmodernisierungen und den damit verbundenen Mietsteigerungen und Verdrängungsprozessen erhalten.

Das ist jedoch nicht genug! Mit Blick auf aktuelle Entwicklungen fordern wir deshalb:

1. Milieuschutzgebiete ausweiten und weitere Quartiere auf Anwendbarkeit der sozialen Erhaltungssatzung prüfen!

Seit Sommer 2020 bestehen in sechs sogenannten Milieuschutzgebieten in Leipzig soziale Erhaltungssatzungen nach § 172 des Baugesetzbuches (BauGB). Rings um die Eisenbahnstraße, am Lene-Voigt-Park, in weiten Teilen von Connewitz, Lindenau und Altlindenau sowie in einem kleinen Bereich von Eutritzsch soll damit die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus städtebaulichen Gründen erhalten werden. Nun können in den genannten Gebieten durch die Stadtverwaltung bauliche Maßnahmen unterbunden werden, wenn durch diese eine Verdrängung ansässiger Bevölkerungsgruppen zu befürchten ist.

Bei der Ratsversammlung am 14. Oktober wird auf Vorschlag der Stadtverwaltung darüber diskutiert und abgestimmt, ob für vier zusätzliche Gebiete Aufstellungsbeschlüsse getroffen und ein detaillierte Untersuchungen beauftragt werden sollen. Die betreffenden Gebiete in Kleinzschocher, Plagwitz, Leutzsch und Altlindenau grenzen z. T. unmittelbar an die bereits beschlossenen Milieuschutzgebiete an und sind den gleichen immobilienwirtschaftlichen Prozessen unterworfen. Sie sind von den bisherigen Satzungen nur deshalb nicht erfasst worden, weil bei den Haushaltsbefragungen zu wenige Mieter_innen erreicht wurden, sodass keine ausreichende Datengrundlage zustande kam. Dennoch wurde in der ersten Detailuntersuchung für den Leipziger Westen das Aufwertungspotenzial in den neuen Teilgebieten in Kleinzschocher, Plagwitz, Altlindenau und Leutzsch bereits als hoch eingestuft. Daraus folgte die Empfehlung, die genannten Gebiete im Zusammenhang mit ihrer Umgebung vertiefend zu untersuchen.

Wir fordern die Stadträtinnen und Stadträte aller demokratischen Fraktionen daher auf, den Weg für eine solche Untersuchung und die Erweiterung der Milieuschutzgebiete freizumachen und den Aufstellungsbeschlüssen zuzustimmen.

Bei der im April 2020 durchgeführten Detailuntersuchung für den Stadtraum Nord wurden neben dem mittlerweile beschlossenen Satzungsgebiet in Eutritzsch auch ein kleiner Teil von Gohlis untersucht und dabei ein signifikantes Aufwertungs- und Verdrängungspotenzial nachgewiesen. Zugleich erwies sich dieses Gebiet jedoch als zu klein für einen sinnvollen Satzungsbeschluss.

Für das Untersuchungsgebiet Gohlis und die potenziellen Erweiterungsgebiete links und rechts der Georg-Schumann-Straße, besser aber ausgreifend bis nach Möckern oder Wahren sollte daher ebenfalls bald ein Aufstellungsbeschluss getroffen und eine erneute Untersuchung eingeleitet werden.

In ähnlicher Weise gilt dies für bislang noch nicht untersuchte Bereiche der Stadt mit einem hohen Anteil an gründerzeitlicher Bausubstanz wie etwa in Schönefeld, Sellerhausen-Stünz oder Stötteritz.

2. Wirksamkeit der Milieuschutzgebiete erhöhen und weitere Instrumente zur Anwendung bringen!

Die Milieuschutzgebiete sind eines der schärfsten der vielen eher stumpfen Schwerter im Arsenal der Wohnungspolitik. Dieses Schwert kann und muss noch weiter geschärft und damit besser nutzbar gemacht werden. Dazu ist in erster Linie ein Verbot der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen nötig. In der Bundesregierung und im Bundestag hat die Auseinandersetzung um ein wirksames Umwandlungsverbot im Rahmen der geplanten Novellierung des Baugesetzbuches jüngst an Dynamik gewonnen gewonnen; der Ausgang ist jedoch ungewiss.

Die sächsische Landesregierung will derweil laut Koalitionsvertrag, den Kommunen ermöglichen, „bei Fehlentwicklungen auf dem Wohnungsmarkt geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen“, zu denen „Instrumente wie die Mietpreisbremse, Kappungsgrenzen sowie Zweckentfremdungs- und Umnutzungsverbote“ zählen. Das zuständige Staatsministerium für Regionalentwicklung unter Thomas Schmidt (CDU) zeichnet sich diesbezüglich jedoch bisher durch Untätigkeit aus. Wie zuletzt im Juni 2020 vom Leipziger Stadtrat beauftragt, sollten sich Oberbürgermeister und Stadtverwaltung dringend für entsprechende landesrechtliche Regelungen einsetzen.

Bei den anstehenden Verhandlungen über den städtischen Haushalt müssen überdies unbedingt ausreichende Mittel vorgesehen werden, um in den Milieuschutzgebieten wo nötig das kommunale Vorkaufsrecht an Mietshäusern nutzen zu können. Da dieses in der Regel zugunsten Dritter – der kommunalen Wohnungsgesellschaft, Genossenschaften oder anderen gemeinwohlorientierten Trägern – ausgeübt wird, fallen effektiv nicht die vollen Kaufpreise als städtische Ausgaben an. Sinnvoll sind jedoch Zuschüsse, durch die auch bei hohen Preisen bezahlbare Mieten erhalten werden können. Solche leistet beispielsweise das Land Berlin, wo mehrere Bezirke eine effektive Praxis zur Nutzung des Vorkaufsrechts in Milieuschutzgebieten entwickelt haben.

Wir fordern die Stadträtinnen und Stadträte aller demokratischen Fraktionen daher auf, sich sowohl im Stadtrat – insbesondere bei der Erstellung des nächsten Haushalts – als auch bei ihren Parteien und Fraktionen auf Landes- und Bundesebene dafür einzusetzen, die rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen für die Nutzung weiterer Instrumente in Milieuschutzgebieten und darüber hinaus zu schaffen!

3. Sozialplanung nach § 180 BauGB wieder aufnehmen!

Um Mieter_innen wirksam vor starken Mietsteigerungen und Verdrängung zu schützen, sollten des Weiteren die Instrumente der Sozialplanung nach § 180 BauGB genutzt werden, wie dies zu Beginn der 1990er Jahre in Leipzig bereits erfolgreich praktiziert wurde.

Sozialpläne können Maßnahmen vorsehen, die nachteiligen Auswirkungen von städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen auf die Lebensumstände der in dem Gebiet wohnenden oder arbeitenden Menschen vermeiden oder mildern.

4. Einführung von Verordnungsmieten auf der Grundlage gebietsspezifischer Mietspiegel prüfen!

Damit die Stadtverwaltung sinnvoll prüfen kann, ob Modernisierungen in Milieuschutzgebieten über den zeitgemäßen Ausstattungsstandard hinausgehen, sind stringente Prüfkriterien erforderlich. Einige Bezirke in Berlin nutzen hierzu die Messung einer Verordnungsmiete, die auf gebietsspezifischen Mietspiegeln basiert. Nach einer Modernisierung veranschlagte Mieten müssen im Rahmen der Verordnungsmiete liegen, damit eine Modernisierungsmaßnahme nicht als Gefährdung der Ziele des Milieuschutzes gilt. Andernfalls wird sie untersagt. Die gebietsspezifischen Mietspiegel sind dabei auf wissenschaftlicher Grundlage und statistisch fundiert zu erstellen.

Wir bitten die Stadträtinnen und Stadträte aller demokratischen Fraktionen, sich mit ihren Parteifreund_innen in den betreffenden Berliner Bezirken zu beraten, inwieweit das Instrument der Verordnungsmieten auch in Leipzig sinnvoll und rechtssicher eingesetzt werden kann. Bei positiver Prüfung sollte der Stadtrat die Stadtverwaltung bald mit der Umsetzung beauftragen.

Wir Leipziger Mieter_innen leben in einer Stadt mit angespanntem Wohnungsmarkt. Auch wenn die Corona-Pandemie und ihre gesellschaftlichen Folgewirkungen vermutlich einige Änderungen mit sich bringen, wird sich die Situation insbesondere für Menschen, die nur über niedrige Einkommen verfügen und/oder aus anderen Gründen auf dem Wohnungsmarkt benachteiligt werden, nicht so schnell ändern. Daher müssen die bestehenden wohnungspolitischen Instrumente zur Anwendung gebracht, ausgeweitet und verbessert werden sowie neue Maßnahmen entwickelt werden.

Offener Brief zu Milieuschutz und Vorkaufsrechten

Pressemitteilung

Offener Brief an die Stadt Leipzig:
Endlich ernst machen mit einer Wohnungspolitik für eine wachsende Stadt! Milieuschutz und Vorkaufsrechte jetzt!

Das Netzwerk Leipzig – Stadt für alle und verschiedene Verbündete aus der Zivilgesellschaft, darunter der Mieterverein Leipzig, haben heute einen Offenen Brief an die Stadt Leipzig geschickt (vgl. Anhang).
In diesem fordern sie, dass endlich wirksame Maßnahmen gegen die Verdrängung von Mieter_innen ergriffen werden.

Die Leipziger Wohnungspolitik hinkt der Entwicklung der Stadt schmerzlich hinter. Im 2015 verabschiedeten Wohnungspolitischen Konzept (WoPoKo) wurden verschiedene Maßnahmen für einen angespannten Wohnungsmarkt in Aussicht gestellt. Passiert ist seither wenig.

Die Erstunterzeichner_innen des Briefes an den Stadtrat, den Oberbürgermeister, die zuständigen Bürgermeister_innen und Amtsleiter_innen verlangen insbesondere, dass die Stadt so schnell wie möglich das städtebaurechtliche Instrument der Erhaltungssatzung (“Milieuschutz”) und die damit verbundenen Vorkaufsrechte nutzt.

“Dies ist eine konkrete, auf kommunaler Ebene umsetzbare Maßnahme, die unfaire Entmietungen unterbinden kann”, sagt Tobias Bernet vom Netzwerk Leipzig – Stadt für alle.
“Aktuelle Beispiele aus Berlin belegen die Wirksamkeit dieses Vorgehens. Durch einen wirksamen Milieuschutz könnte die Stadt Leipzig das überfällig Signal aussenden, dass unsoziale Verwertungspläne auch hier keine willkommenen ‘Investitionen’ sind.”

Anlass für den Offenen Brief ist unter anderem ein krasses, aber nicht untypisches Beispiel:
Vor Kurzem kündigte der Geschäftsführer der Immobilienfirma “S Immo Germany” in einem Zeitungsartikel unverhohlen an, ein kürzlich in Leipzig erworbenes Haus “entmieten” und die Miete verdoppeln zu wollen (vgl. https://www.derstandard.de/story/2000064978070/oesterreicher-wollen-gefaehrlichste-strasse-deutschlands-aufmoebeln).

Die Erstunterzeichner_innen des Offenen Briefes finden es höchst bedenklich, dass ein solch unsoziales und möglicherweise rechtswidriges Vorgehen öffentlich angekündigt wird. Wohnungsmarktprofiteur_innen in Leipzig rechnen offenbar nicht damit, daran gehindert zu werden.

Weitere Unterzeichner_innen können sich ab dem 9. November online eintragen unter https://leipzig-stadtfueralle.de/unterzeichnen/

Offener Brief: Antwort zur Stellungnahme der LWB vom 27.03.2017

An
Frau Iris Wolke-Haupt, Frau Ute Schäfer, Geschäftsführerinnen der LWB
Kerstin Fischer-Kames, Geschäftsstellenleiterin SüdWest
Herrn Torsten Bonew, Herrn Dieter Deissler, Herrn Prof. Dr. Georg Donat, Frau Ingrid Glöckner, Frau Dr. Sabine Heymann, Frau Annette Körner, Frau Karola Lange, Herrn Heiko Oßwald, Herrn Siegfried Schlegel, Herrn Steffen Wehmann, Herrn Michael Weickert, Aufsichtsräte und Aufsichtsrätinnen der LWB
Frau Dorothee Dubrau, Aufsichtsratsvorsitzende der LWB und Baubürgermeisterin
Herrn Burkhard Jung, Oberbürgermeister
Frau Katharina Krefft, Herrn Sören Pellmann, Herrn Frank Tornau, Herrn Norman Volger, Herrn Christopher Zenker, Herrn René Hobusch, Fraktionsvorsitzende im Stadtrat

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

im Februar 2017 hatten LWB-Mieter*innen aus der Südvorstadt und Connewitz einen offenen Brief an Sie gerichtet. Darin forderten wir das Ende des stillen Leerzugs – keine Neuvermietung frei werdender Wohnungen – der ca. 300 Wohneinheiten in un- und teilsanierten Häusern in unseren Stadtteilen sowie Transparenz und Beteiligung bei den Sanierungs- und Modernisierungsplanungen. Diesen Brief hatten etwa 100 LWB-Mieter*innen, also die Mehrheit der noch in den betroffenen Häusern verbliebenen, unterzeichnet. Die Antwort der LWB-Geschäftsführung, die wir am 27.03.2017 erhalten haben, ist äußerst vage und verweigert sich einem Dialog auf Augenhöhe. Mit diesem zweiten offenen Brief möchten wir erneut versuchen, einen solchen aufzunehmen, zumal wir glauben, dass eine sozialverträgliche Wohnungspolitik in Zeiten allseits steigender Mieten in Leipzig dringend geboten ist. Der Umgang mit den noch unsanierten LWB-Wohnungsbeständen im Leipziger Süden entscheidet in unseren Augen mit über den Charakter dieses Teils der Stadt.

Wir möchten im Folgenden zunächst Punkt für Punkt auf Ihre Antwort eingehen und dann konkrete Vorschläge für behutsame Modernisierungen und eine entsprechende Zusammenarbeit zwischen LWB und Mieter*innen vorlegen.

(1) Als Grund dafür, leerstehende Wohnungen nicht neu zu vermieten, nennen Sie unter anderem den Zustand der Haus- und Wohnungselektrik sowie der Heizungs- und Gasanlagen. Zunächst kann dieses Argument nicht für alle betroffenen Häuser gleichermaßen gelten; in einigen wurden die Elektroanlagen bereits in den vergangenen Jahren erneuert – auch in bewohntem Zustand. Somit stellt sich die Frage, wieso das andernorts nicht auch möglich sein soll . Weiterhin gibt es Fälle, in denen für Mieter*innen in den betroffenen Häusern auch dann ein Umzug innerhalb des Hauses nicht möglich ist, wenn die bisherige Wohnung sich in einem schlechteren baulichen Zustand befindet als die aktuell leerstehende. Wir beobachten: Wohnungen in den betroffenen Häusern werden aktuell prinzipiell nicht mehr neu vermietet, mit ihrem baulichen Zustand hat das nur selten zu tun.

(2/3) Die Antwort auf unsere Forderung nach mehr Transparenz ist sehr vage. In Bezug auf die Richard-Lehmann-Str. 39-43 sprechen Sie von einem „Pilotprojekt“, bei dem „die erforderlichen Maßnahmen gemeinsam mit dort wohnenden Mietern durchgeführt werden sollen“. Tatsächlich war davon in den vergangenen Monaten nichts zu spüren, im Gegenteil: Sie drängen weiterhin langjährige – zum Teil seit Jahrzehnten dort wohnhafte, hoch betagte – Mieter*innen zum Auszug. Die Möglichkeit, im Gebäude wohnen zu bleiben, wird nicht erwähnt, ebenso nicht der Mietpreis nach einer Sanierung. Anstatt wie von uns gefordert, den Dialog mit uns Mieter*innen als Gruppe zu suchen, setzen Sie mit Umzugsangeboten an einzelne Personen offensichtlich auf ein „Teile-und-herrsche“-Vorgehen.

(4) In unserem ersten offenen Brief fragten wir, ob die LWB bereit ist, günstige Mieten auch nach den Sanierungen zum übergeordneten Ziel ihrer Planungen zu machen. Sie antworten, dass Sie Möglichkeiten, die Mieten zu dämpfen, „prüfen“ werden. Auch das ist mehr als unbestimmt. In den vom Stadtrat am 12.04.2017 beschlossenen Eigentümerzielen für die LWB wird demgegenüber klar festgehalten, dass preisgünstige und mittelpreisige Wohnungen nach Sanierung / Modernisierung im gleichen Marktsegment erhalten bleiben sollen (Vorgehensziel 1.1.8). Zudem soll in Stadtteilen, in denen die durchschnittliche Bestandsmiete oberhalb des gesamtstädtischen Durchschnitts liegt, der Bestand an Wohnungen, die den Angemessenheitskriterien der Richtlinie „Kosten der Unterkunft“ (KdU) entsprechen, gehalten bzw. wenn möglich erhöht werden (Vorgehensziel 1.1.11). Dies trifft auf den Leipziger Süden unzweifelhaft zu.

Mit dem anhaltenden stillen Leerzug schaffen Sie viel Verunsicherung bei den Mieter*innen in den betroffenen Häusern. Ihre intransparente Kommunikation hinsichtlich der Planungen für diese Häuser sowie der zu erwartenden Mietpreise nach Sanierung / Modernisierung sorgen für eine grundsätzliche Zukunftsunsicherheit bei den Mieter*innen, die sehr belastend ist. Sich leerende Häuser ziehen „Mülltourismus“ an, durch fehlendes Heizen und Lüften wird außerdem die Bausubstanz angegriffen. Mieter*innen müssen höhere Ausgaben und Anstrengungen beim Heizen in Kauf nehmen. Wollen Sie uns das Wohnen in diesen Häusern so unangenehm machen, dass wir von allein ausziehen?

Die Stadt Leipzig hat sich mit ihrem Wohnungspolitischen Konzept 2015 vorgenommen, „Wohnen in Leipzig – für alle, vielfältig, bezahlbar und wirtschaftlich tragfähig“ zu bieten (Leitlinie 1), „insbesondere genügend Wohnungen für einkommensschwache Haushalte“ bereit zu stellen (Leitlinie 2) und „Wohnungspolitik als Teil integrierter Stadtentwicklung“ zu betrachten (Leitlinie 4). Dabei kommt der LWB eine wichtige Rolle zu: Als Gesellschaft im hundertprozentigen Eigentum der Stadt hat sie der sozialräumlichen Segregation aktiv gegenzusteuern, wie dies auch in ihren Eigentümerzielen (Ergebnisziel 1.1 ) festgeschrieben ist. Die ca. 300 un- und teilsanierten Wohnungen der LWB im Leipziger Süden können ein Baustein zur Verwirklichung dieser Ziele sein.

Bisher erhalten wir nur ungenaue und verallgemeinernde Informationen und sind – wie oben im Bezug auf die Richard-Lehmann-Str. 39-43 geschildert – „vereinzelnder“ Kommunikation ausgesetzt. Wir halten das für in höchstem Maße unangemessen, da Probleme wie die unseren viele Leipziger Mieter*innen betreffen und hier somit grundsätzliche Fragen hinsichtlich der Zukunft unserer Stadt verhandelt werden.

Wir fordern von der LWB und den sie steuernden Politiker*innen den Willen zu einem „Pilotprojekt“, das diesen Namen verdient. Arbeiten Sie mit uns Mieter*innen als Gemeinschaft zusammen. Haben Sie den Mut, neue Wege zu gehen und gemeinsam über kreative Lösungen nachzudenken.

Uns ist an einer Sanierung / Modernisierung der Häuser – soweit notwendig – ebenso gelegen wie Ihnen. Wir wollen in deren Planung jedoch umfassend einbezogen werden und den Erhalt günstiger Mieten ins Zentrum stellen. Als ersten Schritt fordern wir deshalb weiterhin die Einsetzung einer Arbeitsgruppe „Mieter*innenfreundliche Sanierung / Modernisierung der LWB-Bestände im Leipziger Süden“ aus entscheidungsbefugten LWB-Mitarbeiter*innen sowie einer angemessenen Vertretung der Mieter*innen zur Erarbeitung eines Gesamtkonzeptes für die betroffenen ca. 300 Wohnungen der LWB im Leipziger Süden. Eine solche Arbeitsgruppe könnte die Problematik von behutsamen und kostengünstigen Sanierungen angehen.

Wir sind überzeugt davon, dass niedrigschwellige und gleichzeitig wirtschaftlich tragbare Sanierungen in (teilweise) bewohnten Zustand möglich sind und dass Wohnungen danach im preisgünstigen Segment verbleiben können. Dies zeigt schon die Tatsache, dass in Leipzig in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Häusern u.a. von selbstverwalteten Wohnprojekten saniert wurden und dabei ein günstiger Mietpreis erhalten werden konnte. Wenn von ehrenamtlichem Engagement getragene Initiativen dies schaffen, dann sollte sich ein großes kommunales Unternehmen einer solchen Herausforderung erst recht stellen.

Da wir von keinen Plänen seitens der LWB in diese Richtung wissen, haben wir selbst ein in diesem Bereich erfahrenes Architekturbüro (Büro SchwarzFormat, Arch. M. Friebe, Schönbachstraße 60, 04299 Leipzig) beauftragt, am Beispiel der Richard-Lehmann-Str. 39-43 zwingend notwendige und langfristig sinnvolle Modernisierungsmaßnahmen zu identifizieren und entlang einer solchen Vorplanung eine grobe Kostenschätzung vorzunehmen: In diesem Vorschlag werden Heizung, Dämmung und Elektrik als zwingend notwendig, weitere Maßnahmen lediglich aus ästhetischen o.ä. Gründen als „wünschenswert“ (u.a. Wände und Böden in den Wohnungen) angesehen. Diese Kostenschätzung ergab notwendige Investitionen von knapp 700€/m² Wohnfläche. Damit müsste es unter Berücksichtigung des von der LWB angestrebten Eigenkapitaleinsatzes, aktueller Kreditkonditionen sowie Fördermöglichkeiten selbst unter Einbezug eines Anteils von u.U. auf den Grundstücken liegenden „Altschulden“ möglich sein, auch nach Sanierung mindestens in einem Großteil der Wohnungen KdU-fähige Mieten anzubieten – und dies jetzt schon zuzusagen. Wir sind zuversichtlich, dass sich für die anderen unsanierten LWB-Häuser ähnliche Werte ergeben werden. Wie unter anderem verschiedene Projekte des Architekturbüros SchwarzFormat zeigen, sind Sanierungen in einem ähnlichen Umfang in bewohntem Zustand durchaus möglich. Die detaillierten Unterlagen, auf denen diese Einschätzungen beruhen, stellen wir Ihnen gerne zur Verfügung, wenn Sie an einer diesbezüglichen Kooperation tatsächliches Interesse erkennen lassen.

Wir erwarten von der LWB eine Antwort und einen neuen, transparenten Kommunikationsstil. Wir sind Bürger*innen dieser Stadt und verlangen, ernst genommen zu werden. Lassen Sie uns gemeinsam in einer Arbeitsgruppe „Mieter*innenfreundliche Sanierung / Modernisierung der LWB-Bestände im Leipziger Süden“ ein Gesamtkonzept für die betroffenen ca. 300 Wohnungen der LWB im Leipziger Süden erarbeiten.

Über eine Stellungnahme bis zum 31.10.2017 würden wir uns freuen.

Mit freundlichen Grüßen, Mieterinnen und Mieter der LWB im Leipziger Süden Sie erreichen uns unter der E-Mail-Adresse .

Schluss mit der Mogelpackung!

PRESSEMITTEILUNG vom 21. August 2016

In einer ausführlichen Stellungnahme analysiert „Leipzig – Stadt für alle“ das Vorgehen des Liegenschaftsamtes beim „Modellvorhaben“ zur Vergabe städtischer Grundstücke im „Konzeptverfahren“. Das Netzwerk fordert einen sofortigen Abbruch des laufenden Verfahrens und unterbreitet Vorschläge für eine soziale Liegenschaftspolitik unter Aufsicht eines ‚Runden Tisches‘.

Die vom Liegenschaftsamt betriebene „Konzeptveräußerung“ von fünf städtischen Grundstücken hintergeht in eklatanter Weise die gültige Beschlusslage des Stadtrates! Tatsächlich handelt es sich beim angewendeten Verfahren um eine verdeckte Höchstpreisveräußerung.

Entgegen einem Stadtratsbeschluss vom April 2015 werden weiterhin Verkäufe anstatt Vergaben im Erbbaurecht geplant. Ebenso wird die gemäß dem eben erst verabschiedeten Wohnungspolitischem Konzept besondere Förderwürdigkeit kooperativer Wohnformen komplett ignoriert. Stattdessen will das Liegenschaftsamt städtisches Eigentum weiterhin an Private und profitorientierte Investoren verkaufen. So kann auf den städtischen Grundstücken der in Leipzig dringend benötigte bezahlbare Wohnraum nicht entstehen.

Der Verdacht liegt nahe, dass das Liegenschaftsamt mit seinem „Modellvorhaben“ ein Scheitern des Instruments Konzeptvergabe provozieren will. Es wurden insbesondere für nicht profitorientierte Erwerber ungeeignete Grundstücke ausgewählt. Tobias Bernet vom Netzwerk „Leipzig – Stadt für alle“: „Bei der Hermann-Liebmann-Straße 43 handelt es sich um ein denkmalgeschütztes, aber durch jahrelange Untätigkeit des Liegenschaftsamtes mittlerweile ruinöses Gründerzeithaus, das die Stadtverwaltung vor wenigen Jahren noch abreißen wollte. Nun verlangt das Liegenschaftsamt dafür als Mindestgebot 300.000 Euro.“

Da das „Modellvorhaben“ schlicht kein Konzeptverfahren ist und die Entscheidungsfindung bei den geplanten Vergaben darüber hinaus völlig intransparent, müssen Stadtrat, Bürgermeister_innen und Stadtverwaltung die Einhaltung der geltenden stadträtlichen Beschlusslage gegenüber dem Liegenschaftsamt durchsetzen und das laufende Verfahren abbrechen, wenn es ihnen mit einer sozialen Stadtentwicklungspolitik ernst ist.

„Bei einer Neuauflage einer echten Konzeptvergabe im Erbbaurecht muss ein ‚Runder Tisch‘ mit Vertreter_innen der Stadtverwaltung, der Stadtratsfraktionen, der Wissenschaft und verschiedener kooperativer und gemeinnützig orientierter Wohnprojekte federführend sein und jeden Schritt des Verfahrens transparent begleiten“ fordert Cilia Lichtenberg von „Leipzig – Stadt für alle“. „Schließlich gibt es aus anderen Städten – aktuell z. B. Dresden – genügend positive Vorbilder für ein echtes Konzeptverfahren, das mithelfen könnte, in Leipzig eine aktive Liegenschaftspolitik als Teil einer sozialen Wohnungspolitik auf den Weg zu bringen“, so Lichtenberg weiter.

Eine ausführliche Analyse und Argumentation finden Sie in der beiliegenden Stellungnahme.


Pressekontakt: Tobias Bernet und Cilia Lichtenberg
für das Netzwerk „Leipzig – Stadt für alle“

Download Pressemitteilung (PDF, 88kB)

Zuzug nach wie vor deutlich unterschätzt – Wohnen muss Gemeingut werden

Pressemitteilung: Leipzig, den 4. Oktober 2015

Der vorliegende Entwurf des Wohnungspolitisches Konzeptes der Stadt Leipzig ist grundsätz­lich zu begrüßen, dennoch fordert das Netzwerk „Leipzig – Stadt für alle“ den Stadtrat auf, die Details genau zu studieren und durch eigene Anträge nachzubessern.

„Der Kardinalfehler des Entwurfs liegt in einer geradezu realitätsverweigernden Unterschät­zung des Bevölkerungswachstums! Der Wohnungsleerstand wird viel eher abgeschmolzen sein als bisher angenommen wird. Wir brauchen Sanierungen und Neubau zu bezahlbaren Mieten und dafür müssen jetzt die Weichen gestellt werden“, kritisiert Roman Grabolle. Auch die steigende Anzahl von Menschen, die in Deutschland Schutz suchen, muss in die Planung und Bereitstellung von Wohnraum einfließen.

„Leipzig – Stadt für alle“ spricht sich dafür aus, im Wohnungspolitischen Konzept die handlungsrelevanten Begriffe und Indikatoren klar zu definieren. Dies gilt insbesondere für die Frage, ab wann in Leipzig von einem „angespannten Wohnungsmarkt“ auszugehen ist.

„Wir fordern eine stärkere Einflussnahme der Kommunalpolitik in den Wohnungsmarkt und die Abkehr von der Marktorientierung bei der Versorgung mit Wohnraum. Wohnen soll als Gemeingut der Stadtgesellschaft verstanden werden anstatt zur Vermögensbildung Einzelner beizutragen“, ergänzt Norma Brecht für das Netzwerk „Leipzig – Stadt für alle“.

Beispielhaft ist der Berliner Mietenvolksentscheid, durch den ein Gesetzentwurf auf den Weg gebracht wurde, bei dem mit öffentlichen Mitteln dauerhaft soziale Wohnungsbauvorhaben ohne Gewinnabsicht kreditiert werden, deren Tilgung vollständig in ähnliche Projekte fließt. So kann nachhaltig ein entschuldeter Wohnungsbestand in unverkäuflichem öffentlichem oder genossenschaftlichem Eigentum geschaffen werden.

Die Forderungen an den Stadtrat sind:

  1. Falsche Einschätzungen von Bevölkerungswachstum und Wohnungsbedarf korrigieren!
  2. Klare Begriffsdefinitionen und Indikatoren festlegen!
  3. Wohnungspolitik für eine stark wachsende Stadt jetzt angehen!
  4. Verkauf öffentlichen Grundeigentums ausschließen – Konzeptverfahren einführen, Erbbaurecht nutzen!
  5. Schluss mit dem Verschleiß innerstädtischer Flächen durch Eigenheime!
  6. Nichtrenditeorientierte Trägerformen fördern, Spekulation verhindern!

Weitere Ausführungen entnehmen Sie bitte der beiliegenden ausführlichen Stellungnahme.


Info: Beschlussvorlage Nr. VI-DS-1475-NF-002 für die Ratsversammlung 28.10.2015 (PDF, 91kB)

Wohnungspolitik mitgestalten. Leipziger Immobilienakteuren nicht das Spielfeld überlassen!

Aufruf zur Beteiligung an der Diskussion des Wohnungspolitischen Konzepts:

Pressemitteilung vom 23. Juni 2015

Wohnungspolitik mitgestalten. Leipziger Immobilienakteuren nicht das Spielfeld überlassen!

Eine Stadt für alle wird nicht von renditeorientierten Wohnungsunternehmen geschaffen, die mit öffentlichen Mitteln subventionierten Wohnraum bauen und auch damit noch Gewinne einstreichen wollen. »Leipzig – Stadt für alle« ruft zur Beteiligung an der Veranstaltung zur Vorstellung des Entwurfs zum neuen Wohnungspolitischen Konzepts am 29. Juni um 18 Uhr im Festsaal des Neuen Rathauses auf.

Am 29. Juni 2015 wird die Stadt Leipzig ihren Entwurf zum neuen Wohnungspolitischen Konzept vorstellen. Darin werden wohnungspolitische Leitlinien und Ziele aktualisiert sowie Maßnahmen und Instrumente für deren Umsetzung vorgeschlagen. Seit dem Frühjahr 2014 diskutiert ein Expert_innenenkreis über die Entwicklung Leipzigs und die Maßnahmen zur Wohnraumversorgung. Neben Genossenschaften, LWB, privaten Eigentümer_innen, Verbänden, Mieterverein, Maklern, Baugruppen und der Sächsischen Aufbaubank war auch das Netzwerk »Leipzig – Stadt für alle« am Prozess beteiligt.

Norma Brecht von Stadt für alle resümiert, dass die Stadt Leipzig sich um ein gleichberechtigtes Verfahren und das Einbeziehen aller Akteure bemüht hat. So wurden alle Beteiligten über aktuelle Diskussionen informiert und ihre Stellungnahmen gehört. „Die Zusammensetzung und die inhaltliche Auseinandersetzung stehen jedoch symptomatisch für die Machtverhältnisse auf dem Leipziger Wohnungsmarkt“, sagt Norma Brecht. »Dass die Interessen von Mieter_innen unterrepräsentiert sind, zeigt deutlich, dass es sich hier um ein strukturelles Problem bei der Organisation von Wohnraumversorgung handelt.« Während der Debatte wurde zwar deutlich, dass alle beteiligten Vertreter_innen Handlungsbedarf sehen, doch wurde die Handlungsfähigkeit durch gegensätzliche Positionen verhindert.

Die gemeinsam auftretenden privaten Wohnungsgenossenschaften und Immobilienunternehmen haben sich mit Stellungnahmen und Positionen als mächtiger Akteur positioniert, der alle Andeutungen eines Eingriffs in den Wohnungsmarkt zu blockieren wusste. »Wir mussten feststellen, dass es sich bei den ‚Leipziger Immobilienakteuren’ um eine gut vernetzte Institution handelt, die Politik machen, aber gleichzeitig Wohnungspolitik verhindern will.«

Auf der anderen Seite gibt es in Leipzig kaum Institutionen, die politisch und öffentlich an der Debatte um Wohnraum teilnehmen. Mieter_inneninteressen sind unterrepräsentiert oder werden ausschließlich am Einzelfall abgearbeitet. Gerade wenn mit mehr als tausend Beteiligten bei der „Parade der Unsichtbaren“ der Protest gegen Verdrängung und die Forderung nach einer Stadt für alle lauter wird, bedarf es einer politischen
Vertretung für Mieter_inneninteressen.

Die Positionen der am Entwurf des Wohnungspolitischen Konzepts Beteiligten sind klar geworden und sind in manchen Punkten unvereinbar geblieben. Deshalb lädt das Netzwerk »Leipzig – Stadt für alle« ein, zur Veranstaltung am 29. Juni ins Neue Rathaus zu kommen. Roman Grabolle vom Netzwerk: »Die notwendige öffentliche und politische Diskussion um das Wohnungspolitische Konzept beginnt jetzt. Dabei kann den Immobilienakteuren nicht das Spielfeld überlassen werden. Genau jetzt gilt es, Alternativen zur bisherigen Wohnungsmarktpolitik einzufordern!«

Details:
Wohnen in der wachsenden Stadt
Der Entwurf des Wohnungspolitischen Konzepts wird vorgestellt
Ort: Neues Rathaus, Festsaal
Martin-Luther-Ring 4-6
Zeit: 29. Juni 2015, 18 Uhr, Einlass: 17.30 Uhr

Kontakt:
| https://leipzig-stadtfueralle.de